von Roland Oliphant, Donezk, 2. November 2014, in The Telegraph
Die Wähler, die bei den von den Rebellen organisierten Wahlen am Sonntag im Osten der Ukraine abstimmten, bekamen verbilligtes Gemüse, um die Pseudo-Wahl zu legitimieren
Es gab keine Wählerlisten, keine anerkannte Beobachter, und nur einen wirklichen Kandidaten. Aber für die Wähler, die bei den von den Rebellen organisierten Wahlen am Sonntag im Osten der Ukraine beim Wahllokal erschienen, gab es große Mengen billiges Gemüse.
Vor den Wahllokalen in den selbsternannten “Volksrepubliken” von Donezk und Luhansk verkaufte man an Verkaufsständen Rüben, Kartoffeln, Zwiebeln und Karotten für kaum ein paar Cent pro Sack.
Wer diese “Wahl mit Bauernmarkt” subventioniert? Unklar – aber der Verdacht liegt nahe, dass die neuen Führer der Region die Wahlbeteiligung maximieren wollten und der Abstimmung dadurch Legitimität verleihen wollten.
“Diese Wahlen sind sehr wichtig”, sagte Alexander Sachartschenko, der amtierende “Ministerpräsident” der Volksrepublik Donezk, als er seinen Stimmzettel am Sonntag in die Urne warf. “Heute entscheiden unsere Leute über das zukünftige Schicksal unseres Staates.” Sachartschenko hatte seinen üblichen Tarnanzug zu Hause gelassen und erschien in einem blauen Anzug zur Stimmabgabe. Die Auswahl seiner Kleidung schien Berechnung, um den Übergang der Volksrepublik Donezk von einer chaotischen bewaffneten Bewegung zu einem herkömmlichen Staat und seinen persönlichen Übergang vom Soldaten zum Politiker zu signalisieren.
Allerdings bezeichnet der Westen die Abstimmung als eine Pseudo-Veranstaltung, und am Sonntagabend prangerte Petro Poroschenko, der neue pro-westliche Präsident der Ukraine, das Ganze als “Farce unter Androhung von Panzern und Maschinengewehren” an.
Die Tatsache, dass die Wähler mit dem Versprechen von fast kostenlosem Gemüse verführt werden mussten, um an die Urnen zu gehen, zeigt auch, wie verzweifelt die Lage für die einfachen Menschen nach sechs Monaten des Krieges ist. Seit die Regierung in Kyiw vor vier Monaten im “Separatistengebiet” die Renten- und Lohnzahlungen für den öffentlichen Dienst eingestellt hat und die Rebellen bisher keinerlei Maßnahmen für den Ersatz des sozialen Netzes ergriffen haben, sind viele Menschen in Armut verfallen.
Nach dem Beginn ihres Militäreinsatzes für die Unabhängigkeit von der Ukraine im April brauchten die separatistischen Führer jetzt eine starke Wahlbeteiligung, um ihre Herrschaft zu zementieren. Russland hat die Anerkennung der Ergebnisse angekündigt, was den Verdacht erregt, das Ziel sei die Bildung eines de-facto abtrünnigen Staats unter Moskauer Schutz.
Wären internationale Wahlbeobachter anwesend gewesen, hätten sie auch ein paar andere Probleme festgestellt: Überall eine Präsenz bewaffneter Männer in und vor den Wahllokalen; das Fehlen von Wählerlisten, jeder konnte bei Vorlage eines Ausweise wählen; und es gab weder Oppositionskandidaten noch einen Wahlkampf.
Die Abstimmung wurde durch einen ungeschickten Versuch getrübt, die Weigerung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, eine Beobachtermission einzurichten, dadurch zu beschönigen, indem man eine Gruppe mit einem ähnlichen Namen erfand.
Über 30 Beobachter aus mehreren europäischen Staaten, hauptsächlich rechtsextreme Abgeordnete, die auch das Referendum nach der Annexion der Krim durch Russland im März beobachtet hatten, kamen am Samstag aus Russland in die von Separatisten besetzten Gebieten. Einer von ihnen, Ewald Stadler, ein ehemaliges Mitglied der rechtsgerichteten Freiheitlichen Partei Österreichs, sagte zunächst sie seien von einer Gruppe namens “ASCE”, nur um dann zugeben, dass die “Agentur für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa” in Wirklichkeit nur auf dem Papier existiert.
Trotz all dieser Mängel war es wahrscheinlich nicht nur das Gemüse, was die Menschen zur Wahl lockte. In Ilowajsk, einer noch immer von Kämpfen gezeichneten Stadt, war eines der Wahllokale so überfüllt, dass man sich fast nicht mehr bewegen konnte. Dort gab es auch keine verbilligte Waren.
“Ich werde für unseren Sachartschenko stimmen. Wir brauchen die Ukraine hier nicht mehr, nach dem, was sie hier getan hat,” sagte Walentina, 60, eine Rentnerin. Andere erschienen einfach aus Bürgersinn bei der Abstimmung. “Ich habe Sachartschenko gewählt. Ich wusste nicht, wer die anderen waren,” sagte schulterzuckend Artjom, 29, ein Bergmann, der mit seiner fünfjährigen Tochter zur Abstimmung kam. “Man muss wählen, nicht wahr? Es ist Pflicht.”
Autor: Roland Oliphant
Quelle: The Telegraph
Übersetzung; Übersetzerteam Euromaidan Press auf Deutsch