Reuters – Die ausgebrannten Überreste von dutzenden Panzern und bewaffneten Fahrzeugen in Feldern nahe des kleinen Dorfes zeugt von der Brutalität eines Kampfes, der zur Wende im Konflikt in der Ostukraine beitrug.
Die meisten Panzer wurden von den Regierungskräften im August in der Nähe von Horbatenko genutzt, 40 km südwestlich des Rebellenstützpunkts Donezk. Infolge des demoralisierenden Siegs über die Regierungskräfte einigte sich wenige Tage später Kyiw mit den pro-russischen Separatisten auf eine Waffenruhe.
Aber unter dem Schutt fand Reuters schwarze Wracks, die Militärexperten als zwei Panzer der russischen Armee identifizierten, was die Behauptungen Kyiws und des Westens untermauerten, dass die Rebellen mit Truppen und Ausstattung aus Moskau unterstützt wurden.
Moskau weist diese Anschuldigungen zurück, obwohl die Rebellen bis Ende August kurz vor der Niederlage waren, als die ukrainische Regierung behauptete, das die Separatisten Unterstützung in Form von Soldaten und Waffen aus Russland bekämen.
Reuters zeigte Fotos mit zwei schwer beschädigten Panzern, von denen einer bereits ohne Panzerturm war. Zwei unabhängige Militärexperten stellten fest, dass diese von einem Typus seien, den ausschließlich die russische Armee nutzt.
Zumindest einer, so stellten sie fest, war ein T-72BM, ein auf russische Art modifiziertes Modell eines bekannten Sowjet-Panzers. Es ist laut der Experten nicht bekannt, dass dieser Panzer jemals exportiert wurde.
„Er wurde in großer Zahl von der russischen Armee genutzt, aber es ist nicht bekannt, dass er exportiert oder außerhalb von Russland genutzt worden wäre“, so schrieb Joseph Dempsey, ein Militäranalyst des Londoner International Institute for Strategic Studies Ende August, als ein Panzer wie dieser auf unscharfem Filmmaterial des Rebellenkonvois entdeckt wurde.
„Die Existenz dieses Panzers in der Ukraine stützt die Behauptung, dass Russland Waffen an die Separatisten liefert“, so Dempsey.
Solche Bemerkungen höhlen ganz klar die russischen Dementis aus, im Konflikt in der Ukraine direkt beteiligt zu sein. Moskau will Einfluss behalten, und es soll schwierig sein, die Ukraine zu regieren, da Kyiw einen westlich orientierten politischen und wirtschaftlichen Kurs fährt.
Die Militärexperten, die die beiden Fotos der zwei Panzer gezeigt bekamen, stellten fest, dass der zweite entweder der gleiche wie der erste war, also ein T-72BM, oder ein leicht verändertes Modell, ein T-72B1. Genauere Angaben sind schwierig, da die Fahrzeuge stark beschädigt sind.
Ein sowjetischer T-72B1, so Dempsey, könne eigentlich nicht auf Seiten der ukrainischen Streitkräfte zum Einsatz gekommen sein, dadurch sei es fast unmöglich, dass die Separatisten ihn im Kampf erbeutet haben.
Der Ukrainische Sicherheitsrat, der sich aus den besten Führungskräften aus Politik, Verteidigung und Sicherheit zusammensetzt, teilte mit, dass die Separatisten T-72 Panzer nutzten, die sie nicht von der ukrainischen Seite haben erbeutet haben können.
Erbitterte Kämpfe
Kyiw vermeldete Ende August auch, dass russische Kräfte in die Ukraine eingedrungen seien und Starobeschewo, 5 km von Horbatenko, entfernt, eingenommen hätten.
Das ukrainische Verteidigungsministerium kam der Bitte von Reuters nicht nach, mehr Details über die entscheidende Schlacht zu liefern, die kurz danach folgte. Ukrainische Soldaten, die in den Kämpfen gefangen genommen wurden, sagten, sie seien schnell überwältigt worden.
Alexej Koschelenko, der angab, am 24.-25. August nahe der Stadt Ilowajsk gefangen genommen worden zu sein, berichtete: „Wir wurden von Mehrfachraketenwerfern vom Typ “Grad” getroffen, und danach brachten uns die Truppen einfach weg. Wir waren innerhalb von 20 Minuten besiegt. Viele von uns wurden getötet, andere sind vermisst.“
„Das waren Russen,“ sagte er, nachdem er mit anderen Kriegsgefangenen zusammen freigelassen wurde. Er bezieht sich auf eine Stadt 300 km nordöstlich von Moskau: „Sie sagten, sie seien aus einem Luftangriffsbataillon aus Kostroma.“
Die Berichte der Einwohner Horbatenkos, einem Dorf mit einigen Dutzend Einwohnern, die nun anstatt auf ihre Getreidefelder auf Kriegsfelder schauen, sind auch eine Herausforderung für Russland, die direkte Intervention zu bestreiten.
Valentina Iwanowna, 75, sagte, sie sei von einem Granatsplitter leicht verletzt worden, als es zu heftigen Kämpfen Ende August kam. „Wir sahen einen bewaffneten Konvoi hierher kommen. Sie hatten weiße Kreise und weiße Fahnen auf den Panzern, aber wessen Truppen es waren, wissen wir nicht.“
Weder die Rebellen noch die ukrainischen Kämpfer haben weiße Kreise als ihr ständiges Erkennungszeichen. Aber eine weitere Bewohnerin, die als Namen aus Angst vor Vergeltung nur mit „Nina“ angab, sagte, ihr wurde die Bedeutung der weißen Kreise erklärt, als sie mit den vorbeifahrenden Soldaten sprach, die sich selbst als Russen ausgaben.
„Einer dieser Soldaten sagte mir: Weiße Kreise bedeuten, dass sie russisch sind“, so Nina. „Er kam zum letzten Haus, um Wasser zu trinken und ich fragte, wie man den Unterschied zwischen den ukrainischen und russischen Streitkräften erkennen könnte. Er sagte, dass wenn es wir sind, weiße Kreise auf den Panzern seien.“
Die zwei beschädigten Panzer waren zu sehr verbrannt, um erkennbare Merkmale ausfindig zu machen. Ein zerstörter sowjetischer BMP-2, ein Schützenpanzer, stand einige hundert Meter entfernt und hatte einen weißen Kreis auf dem kaputten Gehäuse.
Bewohner der ukrainischen Grenzregionen berichteten am 26. August auch von einem Panzerkonvoi mit weißen Kreisen. Zwei Tage später sah Reuters einen Panzerkonvoi mit dem gleichen Erkennungsmerkmal auf der russischen Seite.
Ukrainische Anschuldigungen
Ende August beschuldigte die Ukraine russische Truppen, die Grenze überquert zu haben. Um diese Anschuldigungen zu untermauern, wurden Videos mit Interviews veröffentlicht, auf denen russische paramilitärische Truppen von ukrainischen Streitkräften in einem Dorf 15 km von Horbatenko entfernt aufgenommen wurden. Sie sagten, dass sie in der 98. Division dienten, die in Iwanowo in Zentralrussland stationiert sei.
Der russische Präsident Wladimir Putin sagte, dass er glaube, die Soldaten hätten sich verlaufen und an einer Stelle ohne Markierung unabsichtlich die Grenze überschritten. Die gefangenen paramilitärischen Truppen wurden später nach Russland zurück gesandt.
Die Panzerabwehrraketen, die unweit von dem Ort Schüsse abfeuerten, an dem die Panzer zerstört wurden, wurden – so hat sich herausgestellt – ebenfalls in Russland gebaut, denn viele Teile der Kornet-Panzerabwehrraketen wurden am Abschussort zurückgelassen.
Reuters zeigte die Fotos der Raketenteile drei Militärexperten, und zwei von ihnen sagten, dass die Ukraine keine Panzerabwehrraketen diesen Typs besäße.
„Die Präsenz von Kornet-Panzerabwehrraketen ist bemerkenswert, und obwohl sie großflächig von Russland exportiert wurden, so doch nicht in die Ukraine. Somit wäre dies ein Indiz für die Einmischung Russlands“, teilte das International Institute for Strategic Studies Reuters mit.
Schützengraben neben den Panzern zeigten auch, was die Wahrscheinlichkeit für die Präsenz ausländischer Truppen nochmals erhöhte: Zahlreiche leere Kisten mit Fertigessen, das von der russischen Armee genutzt wurde. Jede Kiste hatte Mahlzeiten für einen Tag. Ein Reporter von Reuters zählte 124 Packungen an Feldrationen mit einem „Nicht für den Verkauf“-Aufkleber und bemerkte, dass diese für das russische Verteidigungsministerium hergestellt wurden.
Über 50 leere Mineralwasserflaschen um die Panzer herum liegend hatten Etiketten mit dem Herstellungsort der Region Iwanowo, die Region, aus der die Division der russischen paramilitärischen Truppen kam, die im August gefangen genommen wurde. Obwohl Moskau jegliche direkte Einmischung in den Konflikt leugnet, wurden Gräber mit sterblichen Überresten von russischen Soldaten in Russland gefunden, über die Verwandte, Freunde und Menschenrechtler sagten, sie seien in der Ukraine getötet worden.
Moskau und die Rebellen verlautbarten, dass alle aktiven Soldaten von Russland Freiwillige waren. Auf die Frage der Präsenz russischer Waffen und Feldrationen in der Ukraine sagte ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums. „Wir haben die Antwort gegeben, und diese wurde schon mehrmals wiederholt.“
Das ukrainische Verteidigungsministerium gab keine Auskunft auf die Anfrage von Reuters über Verluste in der Nähe von Starobeschewo.
Autoren: Maria Tsvetkova und Aleksandar Vasovic
Quelle: Reuters
Übersetzung: Christina Riek
Redaktion: Euromaidan Press auf Deutsch
Titelbild: Ein zerstörter T72-Panzer, der vermutlich aus Russland kam, wurde auf einem Schlachtfeld nahe des von Separatisten kontrollierten Dorfes Starobeschewe in der Ostukraine am 2. Oktober 2014 gefunden.