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Wiederbelebter Orientalismus: Koloniales Denken in Kommentaren westlicher Analysten über die Ukraine

Wiederbelebter Orientalismus: Koloniales Denken in Kommentaren westlicher Analysten über die Ukraine

von Fabio Belafatti

Während der letzten Monate haben pro-russische Kommentatoren in vielen westlichen Ländern die Ereignisse in der Ukraine dargestellt, indem sie eine Mischung von Stereotypen verwendeten, die auf erschreckende Weise der Rhetorik ähneln, die einst typisch war für rassistische und imperialistische Denkmuster. Als Ergebnis solcher Stereotype sind Ukrainer (aber auch Georgier, Moldauer, Polen, Litauer, Letten und Esten) das Opfer einer neuen Form von Orientalismus geworden, einer verzerrten Art zu denken, die Menschen im Westen allzu oft zeigen, wenn sie über andere Teile der Welt sprechen. Dieser Beitrag will den Lesern und Kommentatoren einen Denkanstoß geben und letztere dazu ermahnen nachzudenken, bevor sie über Osteuropa schreiben: Zuerst sollten wir alle uns von Stereotypen befreien, derer wir uns vielleicht nicht einmal bewusst sind.

Westliche Kommentatorinnen und Kommentatoren sollten sich von alten Vorurteilen befreien, die auf das Zeitalter des Kolonialismus zurückgehen, bevor sie osteuropäische Angelegenheiten kommentieren.

Was ist „Orientalismus“ und warum er heutzutage von Bedeutung ist

1978 publizierte Edward W. Said “Orientalism”, ein Buch, das zu einem Meilenstein für Studien der Post-Kolonialzeit und zu einer Lektüre für alle wurde, die sich für das Studium asiatischer (und besonders muslimischer) Länder interessierten. E. W. Said entlarvte erfolgreich den Irrweg, wie der Westen „den Osten“ versteht. Unter anderem zeigte er auf, dass westliche Kommentatoren beständig auf den Orient als etwas schauen und schauten, was unfähig ist, sich weiter zu entwickeln, und was in einer scheinbar endlosen Vergangenheit der Dekadenz und Rückständigkeit feststeckt

Noch wichtiger laut Said ist, dass der „Osten“ ausnahmslos immer als passives Subjekt dargestellt wird, unfähig und unwert, ein auf seine eigene Weise aktives Subjekt zu sein. Westliche koloniale und post-koloniale Stereotype sehen ihn als schlafende, passive Entität, abhängig vom Handeln eines Westens, von dem man glaubt, dass er die einzige Entität sei, die den hohen Rang eines aktiven Subjekts verdiene.

Heute enthüllt die Ukrainekrise die Existenz eines auffällig ähnlichen Vorurteils. Diesmal ist das Opfer jedoch nicht der Nahe Osten, sondern Osteuropa. Pro-russische Kommentare, die in den letzten Monaten in westlichen Medien erschienen, boten eklatante Beispiele dieses Stereotyps, die einem die Sprache in einem Ausmaß verschlugen, dass man sich fragen muss, was die Autorinnen und Autoren  – von denen ich einige persönlich kenne – daran hinderte, vor dem Schreiben einen Moment innezuhalten um nachzudenken.

Das passierte in einer großen Anzahl englischsprachiger Kommentare, einschließlich einiger von hochrangigen Experten, aber es ist genauso offensichtlich in anderen westlichen Ländern, in denen anti-amerikanische Gefühle geschichtlich bedingt hochgehen, wie zum Beispiel in Italien , aber auch in vielen Fällen in Frankreich und Spanien. Eine Analyse des Hauptarguments, das von pro-russischen Kommentatoren verwendet wird, deckt sofort die methodische Schwäche dieser Analysen auf.

…Autorinnen und Autoren, die den Westen beschuldigen, das ukrainische Chaos „verursacht“ zu haben, indem sie Russland in seinen strategischen Interessen „provozierten“ und seinen Stolz als Großmacht verletzten, schreiben aus einer verzerrten, hierarchischen und letztlich orientalistischen (wenn nicht offen rassistischen) Perspektive über die kleinen Länder Osteuropas.

Pro-russische Argumente funktionieren im Allgemeinen entlang zweier Richtlinien: einer eher auf „Whataboutism“ basierenden und einer eher „geopolitischen“. Die eine, die auf Whataboutism gründet, verteidigt die Handlungen Russlands, indem das allseits bekannte Prinzip des „Ja, aber was ist mit…“ angesprochen wird. Russland hat die Krim besetzt? Ja, aber was ist mit dem Irak? Moskau unterstützt den Separatismus in der Ostukraine? Ja, aber haben nicht die Amerikaner dasselbe im Kosovo gemacht? Und so weiter und so fort. Es ist nicht nötig, Zeit darauf zu verwenden, diese Beweisführung zu kritisieren, da es nichts anders ist als ein logischer Irrtum (argumentum ad hominem), bar jedes Wertes an sich: ein klug angewandter, wirkungsvoller Trugschluss, aber dennoch ein Trugschluss.

Die „geopolitische“ Richtung jedoch hat einen etwas höheren Wert. Diese Richtung verteidigt die Handlungen Russlands, indem sie den Westen beschuldigt, sich in die Angelegenheiten einer Region einzumischen, wo sie er keinerlei Recht hat zu operieren, oder sie drückt Verständnis aus für die Sorge Moskaus über die NATO Erweiterung, die Erosion seiner Einflusssphäre, die Aktionen der EU und der NATO in seinem „nahen Ausland“ und so weiter. Und genau in diesem Bereich spielt „Orientalismus“ eine Rolle.

Ein riesiges methodisches und analytisches Zerrbild

Praktisch alle, die Russland in dieser Debatte verteidigen, sind in diese Falle getappt. Beim Lesen vieler dieser Artikel, die den Westen beschuldigen, das ukrainische Chaos „verursacht“ zu haben, indem sie Russland in seinen strategischen Interessen „provozierten“ und seinen Stolz als Großmacht verletzten, wird es klar, wie sehr die Autorinnen und Autoren aus einer verzerrten, hierarchischen und letztlich orientalistischen (wenn nicht offen rassistischen) Perspektive über die kleinen Länder Osteuropas schreiben.

Wenn ein Kommentator behauptet, dass sich Russland durch den Vormarsch der NATO in Osteuropa oder die Annäherung der Ukraine an die EU bedroht fühle, dann impliziert er im Grunde, dass Russland tatsächlich ein unveräußerliches Recht habe, in der Region Ansprüche zu stellen, so als ob Osteuropa nur ein Werkzeug sei, um Russlands ungelösten Minderwertigkeitskomplex zu kompensieren. Pro-russische Kommentatoren enthalten der Ukraine implizit den eigentlichen hohen Rang, ein aktives Subjekt in der gesamten Frage zu sein, vor und leugnen auf diese Art sogar die Bedeutung als unabhängiger Staat.[1]

Die Vorstellung, dass die russischen Aktionen legitime Reaktionen auf die Einmischung von „Außenstehenden“ in eine Region seien, die als „russisch“ wahrgenommen wird, ist nichts anderes als eine 2.0 Ausdrucksform derselben imperialistischen Geisteshaltung, mit der europäische Imperien den Nahen Osten geteilt haben. Das ist umso mehr überraschend, als es oft von Leuten kommt, die in jedem beliebigen anderen Kontext vordergründig anti-imperialistische Positionen beziehen. In ihren Texten ist Osteuropa ein passives Objekt, an dem Moskau als einziger Akteur (in der lateinischen Bedeutung von „handelnder Person“) zum Agieren berechtigt ist, ohne Rücksicht auf kleinere, lokale Figuren.

Wie anders ist die Art zu erklären, in der die russischen ethno-historischen Argumente über die Krim und die Ostukraine ohne Kritik akzeptiert werden? Kommentatoren haben Putins lächerliches historisches Argument akzeptiert, dass die Krim eine Art russisches Jerusalem gewesen sei oder dass die Ukraine eine Art Heiliges Land der russischen Nation sei.[2] Die ukrainische Version derselben Ereignisse ist nie ernsthaft in Betracht gezogen worden, oder es wurde als ein Ausdruck des Nationalismus einer Meute geschichtsloser Kleinbauern heruntergespielt. Nur sehr wenige Experten haben hervorgehoben, dass Russlands „Motivation“ lediglich auf einer einzigen Interpretation der osteuropäischen Geschichte basiert, die zum Zweck der staatlichen Legitimierung sowohl des zaristischen als auch des sowjetischen Russlands entwickelt worden ist.

Russland: Die einzige adelige Nation in Osteuropa?

Wie alle historischen Interpretationen, beruht die russische Auslegung der Geschichte der Ukraine auf einer Auswahl von Fakten und Bedeutungen, die aufgrund bestimmter politscher Prioritäten eine bestimmte Funktion erlangten. Niemand sollte ernsthaft bestreiten können, dass die Krim/der Donbas/die Ukraine […] russisch sein sollte, weil Russland es als Teil seiner Geschichte sieht: Um das zu tun, muss man zuerst als gegeben ansehen, dass die russische Interpretation der Geschichte an sich aus irgendeinem Grund jeder anderen überlegen ist, was natürlich Unsinn ist.

Aber das ist noch nicht alles. Für pro-russische Kommentatorinnen und Kommentatoren spielt die Tatsache, dass die Krim Jahrtausende lang nicht russisch war, keine Rolle. Was hingegen zählt, ist, dass sie für weniger als zwei Jahrhunderte russisch war – was nichts ist in der historischen Perspektive. Die russische Vision und Erfahrung dieses territorialen Objekts wird automatisch als wichtiger, „edler“ und daher bedeutsamer wahrgenommen als Millennien nicht-russischer Geschichte in der Region. Die Tragödien anderer Völker – was im Übrigen dazu beigetragen hat, diese Region „russischer“ zu machen  – sind dabei vollkommen irrelevant.

Alle anderen, alle nicht-russischen Völker, bewohnen den gewaltigen „neutralen“ Raum zwischen Russland und „dem Westen“. All diese Nationen sind natürlich das Ergebnis einer Konstruktion historischer Erfahrungen und Traditionen. Aber das ist genau der Punkt: Diese Identitäten sind genauso künstlich wie die russische. Und es gibt keinen Grund zu glauben, dass die russische Identität als eine sich auf einer anderen Ebene befindliche wahrgenommen werden sollte, die zu einer Art historischem Adel geweiht wäre.

Wir (sowohl Westeuropäer als auch Osteuropäer) kommen alle aus einem Prozess der Identitätserschaffung, so wie auch Russland: Seine Sichtweisen, Gefühle und sein Geschichtsverständnis sind nicht vom Himmel gefallen: Sie entwickelten sich (oder genauer: sie wurden entwickelt) als Ergebnis bestimmter Ereignisse, Strategien und Ziele. Sie verdienen nicht mehr Respekt als andere. Leider verleihen ihnen pro-russische Kräfte einen Adel, den sie jeder anderen konkurrierenden Interpretation vorenthalten. Das Ergebnis ist der lockere, „orientalistische“ Gebrauch der Vorstellung von den „Einflusssphären“, ein Konzept, das sie richtigerweise in jedem anderen Fall ablehnen würden.

Die „übrigen“ ignorieren: Alte Gewohnheiten sterben langsam

Die Praxis, nicht-russischen Völkern ihre Würde als aktive Subjekte abzusprechen, hat eine lange Geschichte. Wir Westeuropäer akzeptieren die Vorstellung, dass dieser Teil der Welt in die russische „Sphäre“ fällt oder einfach russisch sein sollte. Das erzeugt fürchterliche Vorstellungen, dass Russland im Recht ist, wenn es sich in der Ukraine einmischt, weil es ohnehin in der Vergangenheit schon die baltischen Staaten „aufgeben musste“ und der Westen es nicht anderer Länder „berauben“ sollte, oder dass die Ukraine wegen des Kiewer Rus zu wichtig für die nationale russische Identität sei, so als ob das genügte, um die Wünsche von Millionen Menschen zu ignorieren, die leiden mussten und noch immer leiden, damit es Russland gestattet sei, seine Identität frei zu definieren.

Für viele westliche Expertinnen und Experten zählen nur die russischen Gefühle. Alles andere, was Ukrainer, Polen, Moldauer, Balten, Georgier, Armenier vielleicht denken mögen, ist wesentlich weniger wichtig, da es sich nur um die Gefühle der „anderen“, subalternen .Subjekte handelt, die des hohen Rangs eines Akteurs unwert  und bestenfalls reagierende Opfer einer orientalistischen Geschichtsauslegung sind, die Westeuropäer viel zu oft auf ihre östlichen Nachbarn anwenden.

Diese überproportionale Aufmerksamkeit für die Gefühle Russlands, die Solidarität für die russische „Tragödie“ des Reichsverlustes und die Unempfindlichkeit gegenüber den Prioritäten anderer Völker sind nur dann möglich, wenn man die russische Nation in eine hierarchisch überlegene Position hebt, indem man die orientalistische Fehlannahme anwendet, dass nur eine frühere Großmacht den hohen Rang eines Akteurs haben könne. Europäische Kolonialisten sahen den Osten als bloßes Objekt, mit dem sie spielen konnten. Pro-russische Kommentatorinnen und Kommentatoren sehen Osteuropa in derselben Weise: Russland kann tun, was es beliebt, denn das wird als Teil der natürlichen geopolitischen Ordnung gesehen.

Osteuropa als Attrappe: Unfähig zu handeln?

Die orientalistische Denkweise pro-russischer Kommentatorinnen und Kommentatoren zeigt sich an der Art und Weise, wie sie die Ukraine als ein Land darstellen, das unfähig ist, auf eigene Initiative zu handeln. Sie sehen osteuropäische Länder ausnahmslos als Objekte, die durch den Westen manipuliert wurden. Dies folgt dem oben Beschriebenen: Wenn Russland als einziger Staat im hohen Rang eines Akteurs gesehen wird und Osteuropa als passives, hierarchisch untergeordnetes Objekt, dann ist es unumgänglich, dass jede selbstständige Aktion eines osteuropäischen Staates als Ergebnis westlicher Einmischung gesehen werden muss.

Wenig überraschend sprechen pro-russische Kommentatorinnen und Kommentatoren fast nie von einem „NATO-Beitritt Osteuropas“, sondern von einer „NATO-Expansion in Osteuropa“. Der „Osten“ wird als erobertes Gebiet gesehen  – von Natur aus Russland unterstellt – in dem sich der „Westen“ in gefährlichen Spielen gegen seinen „legitimen“ Besitzer engagiert. Lokale Akteure sind unbedeutend: Ihre Rolle im gesamten NATO/EU-Erweiterungsprozess wird ignoriert. Ehemals kommunistische Länder werden als Opfer einer Eingliederung in westliche Sicherheitsstrukturen gesehen, die gegen ihren Willen durchgeführt wurde.

Das ist natürlich Unsinn: Die Integration von Osteuropa in die Euro-Atlantischen Sicherheitsstrukturen geschah in zwei Richtungen, mit einer sehr intensiven Aktivität seitens östlicher Akteure, die westliche Akteure oft als viel zu drängend empfanden. In pro-russischen Analysen kommt jedoch nichts davon vor: Osteuropäischen Staaten wird der hohe Rang eines Akteurs in dem Prozess abgesprochen, und allein die Vorstellung, dass mehrere zehn Millionen Menschen in der Region oftmals im Lauf der Geschichte ihre Ausrichtung ändern hätten wollen, wird völlig ausgeschlossen.

Das ist nicht nur nostalgisches post-sowjetisches Denken: Es ist offener Rassismus. Wenn Osteuropa nach Westen blickt, dann muss das auf „westliche Einmischung“, „Druck“, „NGOs“ oder irgendwelche andere Sündenböcke zurückzuführen sein,, die von pro-russischen Leuten erfunden werden, um das russische Scheitern zu verstehen. Es muss etwas „Westliches“ im Gang sein, das „den eurasischen Raum destabilisiert“; sie weigern sich zu akzeptieren, dass es ein echtes lokales Interesse innerhalb der osteuropäischen Völker geben könne, ihre eigenen Länder neu auszurichten und dass tatsächlich eher Russland mit seiner Opposition gegenüber den Wünschen der ehemaligen Untertanen des Reiches für die Destabilisierung der Region zur Verantwortung gezogen werden sollte. Es könnte für Expertinnen und Experten, die davon sprechen, dass der Westen Osteuropa destabilisiert, interessant sein, für einen Augenblick aus dieser Perspektive heraus zu denken und zu schauen, ob ihre Position dann noch hält.

Osteuropäer als Marionetten: Sind wir nicht rassistisch?

Der orientalistische Ansatz führt dazu, die Aufrichtigkeit jedes pro-westlichen Protests in Osteuropa zu leugnen. Kein Mensch mit auch nur geringen Kenntnissen von Osteuropa könnte ernsthaft annehmen, dass Brüssel oder Washington tatsächlich Millionen Menschen in Ländern wie der Ukraine mobilisieren könnten. Ganz egal, wieviel Unterstützung es von „außen“ geben kann, es sind letztlich interne Faktoren, die die Menschen mobilisieren, besonders wenn das Risiko besteht, getötet zu werden. Es ist absurd anzunehmen, dass jemand das Risiko eingehen würde erschossen zu werden, nur weil ihm ein Bürokrat in Brüssel das angeschafft hat.

Es ist daher rassistisch anzunehmen, dass niemand östlich der EU eine Ordnung der Dinge wollen könnte, in der Russland nicht dominiert, als ob wir „Westländer“ die einzigen wären, die es wert oder die imstande wären, für Dinge wie Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte und so weiter zu kämpfen. Diese Überzeugungen spielen eine beruhigende Rolle für Russland: Es ist besser so zu tun, als wäre die Eingliederung Osteuropas in die NATO/EU das Ergebnis einer anti-russischen Verschwörung, als das Scheitern des eigenen Modells und die Tatsache anzuerkennen, dass, vereinfacht gesagt, zahlreiche Länder in Europa noch immer Angst vor den Absichten Russlands haben.

Warum wir uns vom „Orientalismus“ befreien sollten

Das Hauptopfer dieser Stereotype ist unsere Fähigkeit, Osteuropa richtig zu verstehen. Westliche Einflüsse können nicht übersehen werden, aber es ist grundfalsch, die ukrainische Demokratiebewegung als eine Umleitung um die vorgeblich „natürliche“, unausweichliche Ordnung der Dinge zu sehen, in der wir Ukrainer und Ukrainerinnen nicht einmal der Würde als aktive Subjekte und Nation für wert befinden. Es besteht das Risiko, die Fähigkeit zu verlieren, die Rolle lokaler Akteure, ihrer Entscheidungen und Gefühle zu verstehen.

Es ist faszinierend, nur auf die Strategien der Großmächte zu fokussieren, indem man Osteuropa als Schachbrett sieht, bei dem zwei Spieler einander gegenüber sitzen. Egal, wie unterhaltsam große Strategien sowohl für Experten als auch für die Öffentlichkeit sein mögen, Osteuropa ist kein Fußballfeld, und wir als Bewohner des Westens sollten ernsthaft aufhören, auf die kleinen Länder Osteuropas als einen Haufen subalterner Realitäten herab zu blicken, während wir Russland als die einzige Nation betrachten, die Beachtung und hohen Rang verdient. Sich von diesen irrigen Vorstellungen zu lösen sollte der erste, verpflichtende Schritt für jeden sein, der osteuropäische Angelegenheiten kommentieren will.

Fußnoten:

[1]Von einem andern Ausgangspunkt ausgehend hat Anton Schechowzow in einem sehr guten Artikel ähnlich argumentiert, der publiziert wurde, als dieser Beitrag gerade überarbeitet wurde. Ich bin dankbar, dass er dieses Thema aufgegriffen hat, und ich hoffe, dass mein Beitrag die Debatte noch ergänzen wird.

[2] Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie absurd simplifizierend und irreführend dieses Konzept ist, schlage ich die Lektüre des Kapitels über die Ukraine in Timothy Snyders The Reconstruction of Nations vor.

Ursprünglich aus Italien stammend, lebt  Fabio Belafatti  seit dreieinhalb Jahren in Litauen. Davor lebte er unter anderem in Lettland und Tadschikistan. Er arbeitet als Dozent und Koordinator des Zentrums für Zentralasiatische Studien am Zentrum für Orientforschung der Universität Vilnius.

Autor: Fabio Belafatti

Quelle: Euromaidan Press

Übersetzung: Euromaidan Press auf Deutsch

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