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Der Oligarch Gottes

Einer von Putins Lieblingsgeschäftsleuten will christlich-orthodoxes Fox News starten und Russland in die ruhmreiche zaristische Vergangenheit zurückführen.

Von Joshua Keating, Slate.com

Wenn es für Konstantin Malofejew irgendeinen Stress bedeuten sollte, Gegenstand internationaler Sanktionen zu sein, so zeigt er es nicht. „Die Sanktionen sind ein sehr dummes Instrument, von dem nur Obama und seine Regierung glauben können, dass sie irgendeine Wirkung haben werden. Es hat meine Geschäfte nicht beeinträchtigt“, sagt er. Der 40-jährige Multimillionär räumt jedoch ein, dass die Sanktionen eine Auswirkung auf seine persönliche Bewegungsfreiheit hätten. Ich kann nicht in die Alpen auf Urlaub fahren. An diesem Wochenende musste mein Freund, der mich als Trauzeuge zu seiner Hochzeit eingeladen hatte, mit 90 Griechinnen und Griechen zu mir kommen, anstatt dass ich zu ihm gefahren wäre. Das ist die Auswirkung, die es hatte.”

Der Grund, warum Malofejews griechischer Freund so entgegenkommend sein musste, ist, dass er von der ukrainischen Regierung beschuldigt wird, die Rebellen in der Ostukraine im Auftrag der russischen Regierung zu finanzieren. Sowohl Alexander Borodai, der frühere Ministerpräsident der selbsternannten Volksrepublik Donezk, als auch Igor Strelkow, einst einer der wichtigsten Anführer der Aufständischen, sind Ex-Angestellte Malofejews. Malofejew ist nun selbst Gegenstand der Sanktionen der EU und Kanadas –  jedoch nicht der USA, trotz seiner Abneigung gegen Obama –einschließlich eines Einreiseverbots und des Einfrierens seiner Vermögenswerte im Ausland.

Joshua Keating ist angestellter Journalist bei  Slate mit Schwerpunkt auf Außenpolitik; er schreibt den World Blog.
Joshua Keating ist angestellter Journalist bei Slate mit Schwerpunkt auf Außenpolitik; er schreibt den World Blog.

Malofejew sitzt im Tagungsraum seines Moskauer Büros, der mit orthodoxen Ikonen dekoriert ist, und weist alle Vorwürfe als haltlos zurück, dass er den Rebellen Waffen geliefert hätte. „Wir haben ein Abkommen zwischen der Volksrepublik Donezk und meiner Stiftung“, sagt er, aber „es geht nur um Nahrungsmittel, Medizin und andere Dinge, die für humanitäre Zwecke benötigt werden

Es könnte Malofejews Engagement in der Ukraine sein, das die Aufmerksamkeit westlicher Regierungen auf sich gezogen hat, aber das ist nicht der einzige Grund, der eine genaue Prüfung rechtfertigt. Der tief religiöse private equity-Experte personifiziert auf mannigfaltige Weise die schlimmsten Befürchtungen westlicher Liberaler, was die jüngste Wende Russlands hin zu Nationalismus und gesellschaftlichem Konservativismus anlangt. Mit seinen engen Beziehungen zum inneren Kreis des Präsidenten repräsentiert er den neuen Typ eines mächtigen Players, der seit der Rückkehr Putins ins Präsidentenamt aufgetaucht ist. In einer Zeit, da die russische Regierung renitenten Oligarchen das Leben schwer macht, ist Malofejew – zutiefst konservativ und patriotisch über die Maßen – der Typ von Geschäftsmann, der sich gut positioniert hat, um erfolgreich zu sein. Während er jedoch vielleicht auf den ersten Blick nur wie ein weiterer Putin-Kumpan aussieht, so sind seine Ansichten in Wirklichkeit viel extremer als die des typischen Getreuen und viel seltsamer.

Malofejew, der wegen seiner engen Beziehungen zur Elite im Kreml Putins Soros genannt wurde, ist nicht der einzige loyale Anhänger eines harten Durchgreifens gegen „Schwulenpropaganda“. Genau wie alle anderen in Russland lässt er seinen Worten Taten folgen, indem er Tagungen zu traditionellen Familienwerten sponsert, an denen Gegner der Schwulenehe aus den USA und Europa teilnehmen. „Ein Erwachsener kann sich aussuchen, wie er sich im Schlafzimmer vergnügen will“, erzählt er mir. „Aber der Staat und der Steuerzahler sollten es nicht unterstützen, dass Kindern verschiedene Arten der sexuellen Perversion nahegebracht werden.“

„Wir Russen sind eine geteilte Nation, so wie es die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg waren.“ Konstantin Malofejew

Er ist auch felsenfest davon überzeugt, dass das russische Volk vor Online-Perversion geschützt werden muss. Die Safe Internet League, bei der er einer der Hauptunterstützer ist, hat erfolgreich Lobbying betrieben für die Schaffung eines Gesetzes, das eine Schwarze Internet-Liste festlegt und das 2012 in Kraft trat. Das Gesetz, als hartes Durchgreifen gegen Kinderpornographie und anderes illegales Material angepriesen, wurde von Menschrechtsgruppen als potenzielles Vorspiel einer großangelegten Online-Zensur kritisiert. (Videos der Band Pussy Riot wurden nämlich innerhalb Russland mit der Begründung geblockt, dass sie einen „extremistischen“ Inhalt hätten, und es gibt nun ein umstrittenes Gesetz, das Blogger dazu verpflichtet, sich bei den Behörden zu registrieren.) Aber der dreifache Vater sagt, dass diese Befürchtungen übertrieben seien und dass das Gesetz nur dazu bestimmt sei, Kinder zu schützen. Vor dem Erlass des Gesetzes „gab es in Russland keinerlei Beschränkung des Internets, und das russische Internet war das schmutzigste Internet aller Industriestaaten“, sagt er. „Es war voll von Pädophilen, Kinderpornographie, Drogen, Selbstmord.“ Er beschrieb die Kontrolle Russlands über das Internet als „sehr gering“ im Vergleich zu den Vereinigten Staaten.

Malofejew, dessen Stiftung Sankt Basilius der Große die größte orthodoxe Wohlfahrtseinrichtung des Landes ist, sagt, dass diese kulturellen Fragen nicht an Russlands Grenze haltmachten.  Seine Mission sei größer, als nur die Orthodoxie in Russland wiederherzustellen. Es sei eher eine weltweite Anstrengung.

„So wie Christen uns zur Zeit Ronald Reagans gegen das Übel des Kommunismus halfen, so müssen nun wir Christen unsere Schuld abstatten, die unter dem Totalitarismus im Westen leiden“, sagt er. „Der sogenannte Liberalismus, Toleranz und Freiheit sind nur leere Worte, aber hinter ihnen kann man den Totalitarismus erkennen.“ Nach Beispielen für diesen Totalitarismus gefragt, führt er Rechtstreitigkeiten um US-Unternehmen an, die keine Blumen oder Torten für Hochzeiten gleichgeschlechtlicher Paare produzieren, und den Einsatz von Tränengas gegen Demonstranten gegen die Schwulenehe in Frankreich. „All das sahen wir in den 20-er Jahren des 19. Jahrhunderts in der Sowjetunion. Wir wissen wie es ist, wenn der Schutz von Minderheiten die politische Strategie des Landes zu bestimmen beginnt“, sagt er.

Malofejew sieht den Konflikt in der Ukraine im Kontext dieses internationalen Kulturkampfes. Er sagt, die abgesetzte Regierung Präsident Viktor Janukowytschs habe sich teils wegen Bedenken gegen Vorschriften, die Toleranz gegenüber Schwulenrechten durchsetzen wollten. geweigert, letztes Jahr ein Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen „Für Ukrainer, die eine sehr traditionelle Gesellschaft sind, ist diese Propaganda für nicht-traditionelle Werte äußerst unannehmbar“, sagt er.

Sein Engagement im Ukrainekonflikt begann im Januar 2014 unter einigermaßen bizarren Umständen. Malofejew war mit einer Kirchendelegation unterwegs, die heilige Reliquien auf eine Rundfahrt durch Weißrussland und die Ukraine schickte, als sein Flieger umgeleitet und zur Landung auf der Krim gezwungen wurde. Wochen bevor das Territorium durch Russland annektiert wurde, begaben sich Tausende auf die Straßen, um die Reliquien zu sehen, aber Malofejew bestreitet, dass die Reise irgendeinen politischen Hintergrund gehabt habe. „Wir sind alle orthodox. Daran ist nichts Politisches“, sagt er.

Malofejew, der seine Firma Marshall Capital 2005 gründete, ist erst seit kurzer Zeit eine bekannte Persönlichkeit. Er wird oft mit einer Gruppe gut-vernetzter orthodoxer Persönlichkeiten ín Zusammenhang gebracht, der sowohl der Chef der russischen Eisenbahngesellschaft und enger Putin-Vertrauter Wladimir Jakunin angehört, als auch Igor Schogolew, ein Putin-Berater und ehemaliger Minister für Telekommunikation. Schogolew war im Amt, als Malofejew sein bei weitem lukrativstes Anlageobjekt erwarb, eine 10% Beteiligung an der staatlich kontrollierten Telekom-Gruppe Rostelecom.

Putin selbst machte seine tiefe Religiosität zu einem wesentlichen Bestandteils seines Images in der Öffentlichkeit: Der russische Präsident hat sich mit religiösen Beratern umgeben und machte einige Bemerkungen über den Mangel an christlichen Werten im Westen, die nicht weit weg von Malofejews Argumenten sind. Aber der orthodoxe Oligarch lehnt die Vorstellung ab, dass sein sehr öffentlicher Glaube gut fürs Geschäft sei und weist darauf hin, dass er schon lange, bevor es in der russischen Elite modern wurde, orthodox gewesen sei. „Ich kam nicht zur Orthodoxie, damit ich Beziehungen knüpfen konnte. Die Beziehungen kamen zu mir, weil ich orthodox bin“, sagt er.

Jedenfalls sagt Malofejew, dass seine Geschäftsinteressen nun in den Händen professioneller Vermögensverwalter lägen. „Da man nicht dem Mammon und Gott gleichzeitig dienen kann, entschied ich vor zwei Jahren, meine finanziellen Aktivitäten zu beenden.“

Die Sanktionen, die wahrscheinlich nicht so bald aufgehoben werden, behindern diese finanziellen Aktivitäten offensichtlich nicht. Zusätzlich zu seinen Stiftungen und einer religiösen Schule, die er in der Nähe Moskaus gründete, hat der Oligarch noch eine Reihe von neuen Projekten in Planung.

Er hat sich mit einem französischen Entwickler zusammengeschlossen, um zwei „Tsargrad“ Themenparks auf der Krim zu bauen, die die russische Geschichte auf familienfreundliche Weise nacherzählen sollen. Er entwickelt auch Tsargrad TV, ein Kabelnetzwerk – im Moment ist es erst ein YouTube-Kanal – das eine konservativ-orthodoxe Perspektive der Nachrichten anbieten wird. „Wir wollen [ein Netzwerk basierend auf] orthodoxe[n] Prinzipen aufbauen in der Art, wie Fox News aufgebaut wurde“, sagt er. „Wir wollen die Nachrichten zeigen, so wie orthodoxe Menschen, die 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung ausmachen, sie sehen.“ (Jack Hanick, ein ehemaliger Fox News Angestellter wird einer der Produzenten des Netzwerks sein.)  Auf die Frage, ob Russlands bestehende TV Kanäle nicht konservativ genug seien, entgegnet er: „Sie sind nicht orthodox genug”.

Wie die Themenparks ist auch das Netzwerk ein Versuch, eine explizit religiöse Perspektive anzubieten, die er in der russischen Medienlandschaft vermisst. Malofejew glaubt, dass wenn „50 Prozent des Landes nicht nur zu Ostern, sondern jeden Sonntag die Kirche [besuchten], sich vieles ändern würde. Die Korruption würde augenblicklich verschwinden.“ (Die aktuelle Zahl der Kirchenbesucher liegt bei knapp 3 Prozent.)

Aber seine Ziele gehen darüber hinaus, die Gesellschaft Russlands religiöser zu machen. Als Monarchist, wie er sich selbst beschreibt, ist er für die völlige Wiederherstellung des russischen Reiches, einschließlich der Wiedereinsetzung des Zaren.

Top Kommentar:
“Der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche trägt eine $40,000 Uhr und heißt alle Aktionen Putins unmissverständlich gut. Sie wissen, wo es was zu holen gibt.”
Monarchien gibt es in der Geschichte schon seit tausenden von Jahren“, sagt er. „Republiken erst seit einigen Jahrhunderten, dennoch gehen wir davon aus, dass Monarchien der Vergangenheit angehören und den Republiken die Zukunft gehört.“ Er weist darauf hin, dass sieben der 10 reichsten Länder der Welt Monarchien sind. (Die Ausnahmen: die Schweiz, Singapur, und die Vereinigten Staaten. Malofejew hat offensichtlich die winzige Republik San Marino nicht mitgezählt.)

Für Malofejew ist das russische Imperium sowohl eine kulturelle Idee – er spricht anerkennend von der prä-kommunistischen Geburtenrate von sieben Kindern pro Familie im Gegensatz zum heutigen demografischen Rückgang – und eine geopolitische.

„Die gegenwärtigen Grenzen der Russischen Föderation spiegeln die Revolution von 1991 und die Revolution von 1917 wider“, sagt er. „Wir, das russische Volk, sind eine geteilte Nation wie die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Wir sind die größte geteilte Nation der Welt.“ Er lehnt es ab zu kommentieren, wie die Grenzen neu gezogen werden sollten.

Nach seinen Erwartungen befragt, ob die Monarchie in nächster Zeit wieder eingeführt werden wird, antwortet er: „Ich habe in der Sowjetunion gelebt. Wir hätten nie geglaubt, dass wir die Regierungsform haben würden, die wir jetzt haben.“

Autor: Joshua Keating

Quelle: Slate.com (20.11.2014)

Übersetzung: Euromaidan Press auf Deutsch

Titelbild: Konstantin Malofejew – Foto mit freundlicher Genehmigung: Tahdrummond/Wikimedia Commons

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