Russland ändert sich nur durch Verschwörung oder Rebellion – sinnlos und erbarmungslos.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine Änderung des Bundesgesetzes “Über Treffen, Kundgebungen, Demonstrationen, Märsche und Streikposten” unterzeichnet. Das Wesen der Veränderung ist einfach: Demonstrationen müssen spätestens um 22:00 Uhr beendet sein, und dann sollten die Bürger zufrieden nach Hause gehen.
Es ist klar, warum die russische Regierung diese Änderungen für erforderlich erachtet – die Angst vor dem Maidan! Und die Art von Putins Vorgehen spiegelt voll und ganz sein tiefes Missverständnis des ukrainischen politischen Prozesses wider.
Der Maidan ist kein Spiegel der Missachtung der Autorität. Im Gegenteil, es ist eine Spiegelung des Respekt der Menschen vor der Autorität und ihres Wunschs nach einem Dialog mit ihr. Sowohl im Jahr 2004 und 2014 gab es im ukrainischen Parlament eine starke Opposition, die ja zuvor schon Parlamentswahlen gewonnen hatte, und dann nur wegen der Machenschaften der Präsidentenadministration wieder in der Minderheit war. Daher bildete der Maidan logischerweise die Meinung der Mehrheit ab, und nicht der Minderheit – und die Regierung war sich dessen bewusst. Sowohl im Jahr 2004 und 2014 wurden die wichtigsten Beschlüsse in einem funktionsfähigen Parlament gefasst: Nach 2004 gab es nicht einmal vorgezogene Parlamentswahlen, und die noch unter Leonid Kutschma gewählten Abgeordneten beendeten ihre Legislaturperiode unter Wiktor Juschtschenko.
Es gibt nichts Vergleichbares in Russland – weder eine Opposition, noch eine parlamentarische Fähigkeit für unabhängige Entscheidungen, noch eine Gesellschaft mit Erwartungen an das Parlament. Und es gibt auch keinen Anlass für einen Maidan, leider. Russland ändert sich entweder durch eine Verschwörung, der das Staatsoberhaupt und seine engsten Vertrauten zum Opfer fallen (außer denjenigen, die die Verschwörung organisiert haben), oder als Folge eines berühmten russischen Aufstands – sinnlos und erbarmungslos.
Da Putin in der Ukraine ein naturgegebenes Anhängsel von Russland sieht, spürt er diesen Unterschied nicht und ist weiterhin der Ansicht, dass die Feinde des Regimes einen Maidan vorbereiten. Aber selbst die größten Massenkundgebungen in der russischen Hauptstadt – dem einzigen ernst zu nehmenden politischen Zentrum des Landes – hörten immer auf und endeten nie in einem “Maidan”. Nur eine kleine Gruppe war bereit, auf dem Platz zu bleiben, und sie wurde brutal aufgelöst.
In Russland macht ein Maidan keinen Sinn, weil die Staatsduma [Parlament] und der Föderationsrat keine politische Initiative ergreifen können, in beiden sind praktisch nur marginale Typen und Feiglinge, während die Judikative von der Käuflichkeit, Korruption und Unterwürfigkeit vollständig kompromittiert ist. Russen werden nicht danach streben, Befugnisse an das Parlament zu delegieren – sie werden das ganze System von Grund auf demontieren wollen. Und in diesem Sinne kann die Notwendigkeit für einen Putsch innerhalb des inneren elitären Kreises und der Entfernung von Putin als Mittel zur Erhaltung des Systems objektiv zu reifen beginnen. Wenn diejenigen, die in der Nähe des Präsidenten sind, diesen Staatsstreich nicht rechtzeitig angehen – oder realistischer gesagt, wenn Putin sich selbst nicht traut, die Elite ganz neu aufzusetzen und alle zu ersetzen, die für den bevorstehenden wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch des Landes verantwortlich sind – dann wird die Zeit kommen für die allersinnloseste und erbarmungsloseste Revolte auf den Ruinen des sterbenden russischen Staates.
Und das Verbot von Nachtkundgebungen hat absolut nichts damit zu tun.