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Putins Strategie in der Ukraine: Panik schüren, provozieren, einmarschieren – und dann nochmal von vorn

Putins Strategie in der Ukraine: Panik schüren, provozieren, einmarschieren – und dann nochmal von vorn

von Paul Goble, The Interpreter,  3. November 2014

Wladimir Putin hat eine sehr klare Strategie in der Ukraine: Erstens Panik schüren unter den Ukrainern und dem Westen – und abwarten; zweitens die Ukrainer zu Dingen provozieren, die sie vom Westen entfernen – und abwarten; drittens einmarschieren, wenn sowohl die Ukrainer als auch der Westen aus dem Gleichgewicht sind – und dann das Ganze nochmal von vorn.

Diese Strategie, angesichts ihrer Unveränderlichkeit könnte man sie auch fast ein Rezept nennen, spiegelt drei unglückliche Tatsachen wieder: Erstens hat Putin einen längeren Zeithorizont als etwa Ukrainer oder die westlichen Regierungen. Er muss nicht all seine Ziele auf einmal erreichen, während die anderen auf schnelle Lösungen aus sind. Mit dem Schüren von Panik setzt er sein eigenes Programm durch.

Zweitens weiß Putin, dass er die Distanz zwischen Kyiw und dem Westen vergrößern kann, wenn er Ukrainer zu bestimmten Aussagen oder Handlungen provoziert, und dadurch macht er Fortschritte auf seinem Weg, die Ukraine seinem Willen zu unterwerfen – und irgendwann den Rest des ehemaligen sowjetischen Herrschaftsraums und vielleicht noch mehr.

Diese Taktik funktioniert, wenn die Ukrainer entweder einmal zu oft “Achtung, der Wolf kommt!” schreien, indem sie eine Invasion vorhersagen, die dann doch nicht passiert, und damit die westlichen Regierungen zu dem Schluss verführen, dass den ukrainischen Vorhersagen nicht zu trauen sei und und man sie sogar ignorieren könne, selbst wenn sie sich letztendlich als wahr erweisen sollten; oder sie funktioniert, wenn Ukrainer aufgrund Putins Aggressivität dazu verführt werden, Dinge zu sagen und zu tun, die einige im Westen – unter dem Applaus von Putins Clique – als weitere Gründe dafür ansehen, warum die Ukraine nicht zu unterstützen sei.

Und drittens weiß Putin, auch wenn einige in der Ukraine und anderswo das nicht verstehen, dass das Schüren von Panik und und das Provozieren von Ukrainern eine Alternative zur Invasion und eher Bestandteil eines solchen Plans sind. Nicht nur, dass diese Taktik eine Invasion einfacher und billiger für den Kreml-Chef macht, falls er sich genötigt sieht, militärische Gewalt anzuwenden, sie könnten sogar sein Bedürfnis für einen Einmarsch beseitigen.

Das könnte passieren, wenn die Ukrainer den Mut verlieren und auf eigene Faust beschließen, dass ihnen keine andere Wahl bleibt, als sich ohne Anwendung von Gewalt zu unterwerfen, oder wenn der Westen Kyiw dazu drängt, Moskau im Namen eines Friedensprozesses immer größere Zugeständnisse zu machen. Ein Friedensprozess, mit dem allerdings nicht Putins Aggression rückgängig gemacht werden soll sondern der es dem Westen und Moskau vielmehr erlauben würde, zum Business as usual zurückzukehren.

Sowohl die Ukrainer als auch der Westen müssen verstehen, um was es Putin geht. Er ist ein Aggressor, und seine Aggression muss umgekehrt werden anstatt abgemildert. Er ist bereits in die Ukraine eingedrungen und hat ein Gebiet beschlagnahmt. Sowohl Ukrainer als auch der Westen müssen diese Realitäten anerkennen und den schwierigen Prozess der Umkehr von Putins Verbrechen beginnen und ihn dafür zu bestrafen.

Das wird nicht einfach – weder für die Ukrainer, die gezwungen sind, in den Lauf der russischen Gewehre und auf die Pipelines mit russischem Gas zu schauen – noch für den Westen, der in seinem Wunsch, den Sieg zu erklären und Geschäfte zu machen, sich konsequent geweigert hat zu erkennen, wie entsetzlich das sowjetische System wirklich war und wie viel seiner schlimmsten Eigenheiten Putin tatsächlich verkörpert.

Es ist aber möglich. Und dafür sind sofort drei Schritte erforderlich. Erstens, die Ukraine und der Westen müssen verstehen, was Putin tut und es mit der korrekten Bezeichnung benennen: Invasion, Anschluss, Provokation, Einschüchterung und Schüren von Panik. Und beide müssen verstehen, dass dies Teil einer einzigen Politik ist, und eben keine Reihe von Alternativen, wie einige in Kyiw und im Westen anscheinend glauben wollen.

Zweitens muss der Westen eine formelle Nichtanerkennungspolitik in Bezug auf die Krim und die südöstlichen Teile der Ukraine erklären, wo Moskaus Kräfte derzeit im Einsatz sind. Die westlichen Regierungen müssen klar und deutlich sagen, dass sie die russische Besetzung und Annexion nie als legitim anerkennen werden und dass sie eine Regierung, die diese Dinge tut, ebenfalls nie als legitim anerkennen werden.

Das wird Putins Verbrechen nicht sofort rückgängig machen, gerade so wie die damalige Nichtanerkennungspolitik der sowjetischen Besetzung Estlands, Lettlands und Litauens durch die USA 50 Jahre benötigte, um letzlich das Ziel zu erreichen; aber es wird Russland und der Welt deutlich machen, dass die Ergebnisse von Putins Aktionen in der Zukunft sehr wohl rückgängig gemacht werden.

Und drittens ist es höchste Zeit, endlich darüber zu reden, ob die NATO-Staaten die Ukraine mit Waffen versorgen sollten. Eigentlich hätten sie zum Zeitpunkt des ersten Vorgehens Putins gegen die Ukraine geliefert werden sollen, und die Intensität solcher Waffenlieferungen und damit verbundenen Zubehörs hätte sich mit jeder neuen Aktion Putins verstärken müssen.

Kurz gesagt, es ist die Zeit für den Westen gekommen, um der Ukraine die NATO-Mitgliedschaft anzubieten, ein Land, das die Wahl getroffen hat, Teil des Westens zu sein. Der Westen muss das jetzt anerkennen. Das allein wird die aktuelle Krise nicht lösen, aber es wird Putins Strategie stören und dazu führen, dass sowohl er als auch seine Unterstützer erkennen, dass sein Ansatz nicht länger geduldet wird.

Wenn das jetzt nicht erfolgt, wird Putin seine Strategie nicht nur in der Ukraine sondern auch anderswo wiederholen.

Autor: Paul Goble

Quelle: The Interpreter

Übersetzung: Euromaidan Press auf Deutsch

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