Von Reid Standish, foreignpolicy.com 21. Oktober 2014
Als Sergej Sacharow zum ersten Mal Kunstinstallationen und Graffiti machte, die die pro-russischen Kämpfer in seiner Heimat Donezk verspotteten, erwartete er Repressalien, aber nicht, dass er in den nächsten sechs Wochen gefoltert würde. Nun, da er in Kyiw in Sicherheit ist und an einem Bildband über sein Martyrium arbeitet, sprach Sacharow mit Foreign Policy über das Leben in Donezk und seine Zeit in der Gefangenschaft.
Er stellte auch einen Satz von Zeichnungen zur Verfügung, die seine Erfahrungen im Gewahrsam der ostukrainischen Rebellen schildern. Sie zeigen, wie der Künstler verhaftet und geschlagen und in eine armselige Unterkunft gesperrt wurde.
Sacharow sagte, dass er zehn Tage lang heftig geschlagen und gefoltert worden sei, dabei seien ihm von seinen Kidnappern, die ihn wiederholt mit Knüppeln prügelten, die Rippen gebrochen worden. „Mitten in der Nacht pflegten sich die Wärter zu betrinken und einige der Gefangenen zu packen und in ein anderes Gebäude zu bringen, wo sie uns wieder schlugen“, sagte Sacharow. “Nach einer der Prügelattacken wurde ich in einen kleinen Eisenbehälter gesteckt, in den kaum zwei Menschen passen würden, und zwei Tage lang in der sengenden Sonne liegen gelassen“, fügt Sacharow hinzu. „Ich verlor das Bewusstsein.“
Während der Folterungen sagten ihm pro-russische Separatisten, dass er sich auf den Tod vorbereiten solle, und hielten ein Gewehr an seinen Kopf. Bei anderer Gelegenheit hielten Kämpfer ein Messer an sein Ohr und drohten es abzuschneiden.
Als “Banksy von Donezk” tituliert, erlangte Sacharow im Juli und August internationale Bekanntheit durch seine gnadenlose Kunstinstallation, die pro-russische Kämpfer als Teufel und Dämonen darstellt. Sein Graffiti-Porträt des prominenten Rebellenführers Igor Strelkow, der sich eine Pistole an den Kopf hält, mit der Bildunterschrift, die den Nike-Slogan „Just Do It“ wiederholt, wurde sofort zum Symbol der Opposition gegen die pro-russischen Milizen, die in der Ostukraine Chaos verursachten.
Bald nachdem sich seine Kunst wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, fand sich Sacharow jedoch als persona non grata in Donezk wieder und als Zielscheibe für pro-russische Kämpfer, die nur darauf warteten, hart gegen jede Form des Protests durchzugreifen.
Sacharow war Anfang August in seinem Atelier, als ihn Bewaffnete befragten und in ein Gebäude im Zentrum von Donezk brachten, das früher dem ukrainischen Inlandsgeheimdienst (SBU) gehört hatte und das nun zum Hauptquartier der Aktivitäten der Milizen umfunktioniert worden war. „Sie zeigten mir Fotografien meiner Arbeit und fragten, ob ich das gemacht hätte. Ich bejahte es“, erinnerte sich Sacharow. Man legte ihm sodann Handschellen an und warf ihn in einen Lastwagen mit bewaffneten Kämpfern und brachte ihn zurück nach Hause, wo sein Computer und sein Auto beschlagnahmt und sein Atelier durchwühlt wurden.
Hier stellt Sacharow den Moment dar, wie er zum SBU-Gebäude gebracht wurde:
„Später fand ich heraus, dass man mir bereits lange Zeit gefolgt war, bevor man mich gefangen nahm“, sagte Sacharow. „Ich nahm Kontakt mit einem russischen Journalisten auf, und das versetzte die Kämpfer in Donezk in Alarmbereitschaft. Sie begannen, meine Accounts bei den sozialen Medien zu überwachen, und von da aus konnten sie sehen, was ich machte.” Wegen einer strengen Ausgangssperre war es für Sacharow und seine Künstlerkollegen im Kollektiv, bekannt als Myrzilka, nicht möglich, die Installationen im Schutz der Dunkelheit aufzustellen. Stattdessen wurden die Kunstwerke in den Morgenstunden errichtet.
„Jetzt kann ich sagen, dass ich sorglos war – aber ich wollte nur wissen, wie die Leute reagieren.“
Hier stellt Sacharow vor seiner Gefangennahme eines seiner Kunstwerke auf:
„Damals erhob niemand die Stimme gegen die Volksrepublik Donezk, daher freute es mich, die positiven Reaktionen auf meine Arbeit zu sehen“, fügte Sacharow hinzu und sprach über die Passantinnen und Passanten, die lachten und mit ihren Handys Fotos machten. „Für mich war das der Beweis, dass es trotz des Schweigens noch immer viele Gegnerinnen und Gegner in der Stadt gab.“
Ohne viele Erklärungen wurde Sacharow gegen Ende August entlassen. Er traf sich sofort mit seiner Freundin und wurde ins Krankenhaus gebracht, wo man diagnostizierte, dass er 10 Rippenbrüche hatte. „Wir sprachen darüber wegzugehen, aber mein Pass und die Dokumente waren noch immer im SBU-Gebäude“, sagte Sacharow. Einen Tag nach seiner Entlassung kehrte Sacharow an die Stätte seiner Folterungen zurück, um seine Dokumente zurückzufordern, die nötig waren, um an den Checkpoints vorbei aus der Stadt zu kommen, aber er wurde wieder verhaftet und konnte erst nahezu einen Monat später wieder weg.
Hier bildet Sacharow eine Zelle ab, in der er gefangen gehalten wurde:
Bei seiner zweiten Verhaftung setzte sich Sacharows Familie stark für seine Entlassung ein. Sacharows Freundin arbeitete früher im Gesetzesvollzug und kannte einige frühere Polizisten, die für die Volksrepublik Donezk arbeiteten. Nach zahllosen Telefonaten interessierte sich ein Polizeibeamter für den Künstler und stellte endlich seine Entlassung sicher.
Sacharow und seine Freundin haben seither Donezk verlassen und leben in Kyiw, aber die Rückkehr zur Arbeit und einem normalen Leben ist schwierig. Nach eineinhalb Monaten strenger Haft und körperlichen Misshandlungen gibt der einstmals selbstsichere Künstler zu, Schwierigkeiten zu haben, mit seinen Erfahrungen fertig zu werden, und findet es nun schwierig zu zeichnen. Dennoch widmet er seine Zeit der Aufgabe, sein Martyrium zu illustrieren, und hofft, es als Buch herauszubringen. „Es ist viel schwieriger geworden zu zeichnen als früher, aber es erlaubt mir, alles zu verarbeiten, was mir und meinem Land zugestoßen ist.“
Autor: Reid Standish
Quelle: foreignpolicy.com
Übersetzung: Euromaidan Press auf Deutsch