Foto: Rabbi Avraam Wolf und der UNA-UNSO Kommandant Walerij Sagorodnij beseitigen antisemitische Schmierereien. Foto: Chabad Jüdische Gemeinde Odesa
Die Juden von Odesa enthüllen eine Provokation der russischen Medien: “Der Krieg des ‘Rechten Sektors’ gegen die Juden von Odesa ist erfunden”
Die russischen Versuche, einen antisemitischen Angriff in der Ukraine zu fabrizieren, sind wieder einmal mit der Wirklichkeit kollidiert.Dieses Mal sah sich die Jüdische Gemeinde von Odesa gezwungen, in einer Erklärung jede Einzelheit der “Geschichte” zu dementieren, nachdem sie mit ängstlichen Anrufen aus der ganzen Welt überschwemmt worden waren.
Die Vorwürfe waren in der Tat alarmierend. In einem Artikel mit dem Titel “Der ‘Rechte Sektor’ hat den Juden in Odesa den Krieg erklärt” behauptet Iswestija, die “Radikalen” hätten Gräber geschändet und das Denkmal für die Opfer des Holocaust mit Hakenkreuzen beschmiert. Angeblich seien 20 Juden brutal von ultra-nationalistischen Mitgliedern des ‘Rechten Sektors’ geschlagen worden und eine anonyme Polizeiquelle habe behauptet, dass weitere 36 Raubüberfälle und Angriffe gegen Mitglieder der jüdischen Gemeinde vom ‘Rechten Sektor’ begangen worden seien. All dies wurde eifrig von Russlands Lifenews und anderen Kreml-Kanälen wiederholt.
Berl Kapulkin, der Pressesprecher der Jüdischen Gemeinde Odesa gab dazu folgende offizielle Antwort:
“In den letzten Tagen sind Anrufe und Nachfragen aus tatsächlich der ganzen Welt auf die Juden von Odesa eingestürzt. Der Auslöser waren einige Erklärungen eines Menschen, der sich als Leiter der jüdischen Gemeinde von Odesa bezeichnet. Dabei ist ein Mensch mit diesem Namen – Michail Majman – nicht nur nicht der Leiter der Gemeinde, er ist nicht einmal Mitglied. Einen Michail Majman gibt es in keiner einzigen Datenbank der Gemeinde, und es sieht so aus, als gäbe es ihn überhaupt nicht.
Nichts von dem in diesen Erklärungen Behaupteten ist in der Gemeinde passiert – es gab keine Beratungen, es gab keine Überfälle, wir haben keine Aufrufe und Anzeigen geschrieben und haben das auch nicht vor.
Allein schon der Satz, dass die Odessiten vorhätten, sich an New York zu wenden und den Jüdischen Weltkongress darum zu bitten, eine ukrainische (!) politische (!) Organisation zu verbieten, hätte ausreichen müssen, um sich eine richtige Meinung über diese Erklärungen zu bilden.
Dennoch möchten wir daran erinnern, dass nach jüdischem Gesetz der Rabbiner der Leiter der Gemeinde ist, an den die Gemeinde das Recht sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern delegiert; insbesondere das Recht die Gemeinde zu vertreten und in ihrem Namen Erklärungen abzugeben.
Deswegen sind Erklärungen, die weder von Avraam Wolf, dem obersten Rabbiner von Odesa und der Südukraine, noch vom Pressedienst der Gemeinde abgegeben wurden, Falschmeldungen (und manchmal auch Provokationen).
Hochachtungsvoll, Berl Kapulkin, Pressesprecher der jüdischen Gemeinde von Odesa”
Es ist nicht schwer nachzuvollziehen, warum die russische Propaganda-Maschinerie einen fiktiven “Führer der jüdischen Gemeinde” erfunden hat. Die wirklichen Führer und maßgebliche Stimmen in den jüdischen Gemeinden der Ukraine leiden seit Anfang des EuroMaidan unter solchem Ärger. Nicht nur, dass sie es versäumen, anschauliche Geschichten von antisemitischen Ausschreitungen und von Pogrom-Ängsten im Rahmen der Mär von der “faschistischen Junta” zu verbreiten, sondern sie verurteilen öffentlich solche offene Provokationen und Versuche, den Antisemitismus in der Ukraine zu schüren.
Ende Januar hatte 2014 Wjatscheslaw Lichatschew, der maßgeblichste Antisemitismus-Forscher in der Ukraine, vor Versuchen des Janukowytsch-Regimes gewarnt, einen vermeintlichen Antisemitismus als Vorwand für die Beschwichtigung des Zorn zu benutzen, wenn die Empörung über die möglicherweise bevorstehende gewaltsame Niederschlagung der EuroMaidan-Proteste zu groß wird. Öffentliche Erklärungen mit ähnlichen Bedenken gab es vom Verband der jüdischen Organisationen und Gemeinden der Ukraine [Vaad Ukraine] und Menschenrechtsgruppen.
Der russische Präsident Wladimir Putin behauptete in ähnlicher Weise nach Janukowytschs Flucht nach Russland im Februar, das Hauptanliegen Russlands sei “die Orgie der Nationalisten, Extremisten und Antisemiten auf den Straßen von Kyiw” zu beenden.
Dies veranlasste den Oberrabbiner der Ukraine, Yaacov Dov Bleich, zu einer Erklärung, dass trotz der anhaltenden Behauptungen in den russischen Medien antisemitische Vorfälle in der Ukraine extrem selten vorkämen. Er wies darauf hin, dass der erste Vorfall von antisemitischem Vandalismus auf der Krim stattgefunden hatte, ein paar Tage nach dem Einsatz russischer Truppen auf der Halbinsel.
Die russischen Medien versuchten dennoch, propagandistisch Kapital aus diesem Akt des Vandalismus in Simferopol zu schlagen – und wurden wieder ertappt. Denn es wurde in einem gefälschten Bericht behauptet, dass Rabbi Mischa Kapustin von der Gemeinschaft des Progressiven Judentums von Simferopol und der Ukraine gezwungen worden sei, die Ukraine wegen der “faschistischen Horden” zu verlassen. Der Rabbi hatte jedoch in Wirklichkeit zu der Jüdischen Allgemeine gesagt, dass er sich gezwungen sah, mit seiner Frau und Familie Simferopol und die Krim in Richtung Kyiw zu verlassen, aus Angst um ihre Sicherheit auf Grund seines aktiven Protests und eines öffentlichen Aufrufs, den er gegen die russische Besatzung eingeleitet hatte.
…
Seitdem haben die jüdischen Führer in der Ukraine immer wieder die Lügen und Klischees des Kreml widerlegt. Und gleichzeitig bemühen sich weder die vom Kreml unterstützten Militanten im Donbas noch die Partei “Ukrainische Wahl” unter der Führung von Putins Sprachrohr in der Ukraine, Wiktor Medwedtschuk, ihre antisemitischen Ansichten zu verbergen.
Vielleicht konzentriert sich Russland aus diesen Gründen seit einiger Zeit weitgehend auf den Sprachgebrauch der “faschistischen Junta” und mach einen großen Bogen um das Thema Antisemitismus. Was vielleicht auch gut ist, wie dieses erneute Fiasko zeigt.