19.2.2014 ~22:48 (Kyiv)
Fotos und Quelle: https://www.facebook.com/jennifer.carroll.16/posts/10151882678052413
– Das Rathaus ist überfüllt mit Menschen (darunter einige Geistliche), die Essen und medizinischen Nachschub vorbeibringen
– eine Frau mittleren Alters, die unsere Essensspenden entgegen nahm, gab uns ein großes Paket gefüllt mit Päckchen aus schwarzem Pfeffer und Piment. Sie sagte (bellte vielmehr): “Dewuschka! Wenn du in diese Richtung gehst, siehst du eine Gruppe Männer, die Molotow-Cocktails vorbereiten. Du musst ihnen das vorbeibringen.”
– die gleiche Frau versuchte dann, einem Freiwilligen der Maidanwachen (einem Mann, eingepackt in eine kugelsichere Weste und einen Helm, Waffen und Körperpanzerung) eine der Mandarinen zu geben, die wir vorbeigebracht hatten. Er hatte ein Sandwich in der einen Hand und eine Limonade in der anderen. “Du brauchst Vitamin C!” sagte sie. Er antwortete, “Nee, meine Hände sind voll, ich will keine.” Die Frau schnäuzte ihn beleidigt an und packte den Kragen seines Sweatshirts. Er hatte einen Kaputzenpullover an, und sich die Kaputze übergezogen. Sie stopfte eine Orange gewaltsam in seine Kaputze, bis sie dort sicher im Kragen saß. “Du musst sie essen! Du brauchst deine Gesundheit!” Der Freiwillige der Maidan-Selbstverteidigung fing an zu lachen, und zog sich weg – wie ein kleines Kind, das gekitzelt wurde.
– Menschen von überall in Kyiw kommen mit allen möglichen Autos (Kia, Jeeps, Lexus, Daiwoo) an die Barrikaden gefahren, um Reifen zu bringen. Stapel von Reifen werden auf die Feuer geworfen. Es sind meist Frauen, die die Reifen an die Front tragen.
– Überall auf dem Unabhängigkeitsplatz werden Kopfsteine herausgerissen und in kleinere Stücke zerbrochen, damit man sie werfen kann. Man sieht Frauen in Stöckelschuhen und Pelzmänteln, die Steine herausziehen. Sogar ein Mann im Rollstuhl ohne Füße war zu sehen, er zerschlug gerade Steine mit einer Axt.
– Als wir uns dem Feuer näherten, stand ein Mann in seinen Sechzigern von seinem Stuhl auf. Er saß an die Barrikade gelehnt. Er bot mir an, auf seinen Stuhl zu steigen, damit ich Bilder über die Mauer hinweg machen könne. Ich zögerte, denn meine Füße waren schlammig. “Darf ich?” fragte ich. “Du musst!” sagte er. Er und eine andere Frau hoben mich, ohne mich zu fragen, auf die Spitze der Barrikade und hielten mich dort schweigend für mehrere Minuten, während ich die Umgebung dokumentierte. Dann half er mir, herunterzusteigen, und drehte sich zu meinen Freunden: “Wer ist der nächste?”
– Die Polizei nutzt Wasserkanonen um “die Feuer zu löschen”. Der größte Effekt ist aber, dass sie den Platz in einen Sumpf verwandeln.
– Künstler singen klassische ukrainische Musik auf der Bühne. Ihre Stimmen sind schön und wirken hypnotisierend.
– Die Menschenmenge ist enorm. Jeder ist freundlich und lächelt, arbeitet zusammen und arbeitet hart. Einer meiner Freunde wurde sogar rekrutiert, um ein großes Stück Metall zur Barrikade zu tragen, um diese zu verstärken – wo wir schon da waren. Die Menschen sind nett und freundlich und liebenswert. Sogar die Wächter, die die Tore bewachen, schreien über ihre Megafone, nicht um die Menschen zu kommandieren, sondern um sich zu bedanken, dass diese so nett sind, sich rechts zu halten und einander vorbeizulassen.
Wie können diese Menschen Radikale sein? Sie wollen, dass du satt und sicher bist. Sie wollen, dass jeder kommt, sich ihnen anschließt, denn es gibt mehr als genug Tee für alle, und die Band fängt an zu spielen.