Der russische Präsident Wladimir Putin und Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer bei einem Staatsbesuch, bei dem Putin auf dem roten Teppich empfangen wird.
26.06.14 | von: Halya Coynash | Charkiwer Menschenrechtsgruppe (Übersetzung aus dem Englischen)
Der russische Präsident Wladimir Putin ist geschickt darin, immer dann wohlklingende Worte zu finden wenn Sanktionen drohen. Die jüngste war seine Ankündigung vom Dienstag, 24. Juni, er werde den Föderationsrat (das russische Oberhaus des Parlaments) “bitten”, den Beschluss vom 1. März zu widerrufen, der ihn zur Entsendung russischer Truppen in die Ukraine bevollmächtigte. Prompt kamen optimistische Schlagzeilen und Aussagen über ein “Tauwetter” und einen “Durchbruch”. Die so gut wie keine inhaltliche Bedeutung, aber leider scheinen sie gewirkt zu haben. Trotz der Tatsache, dass bei zwei separaten Angriffen mindestens 11 ukrainische Soldaten getötet wurden, und ohne irgendwelche Anzeichen dafür, dass Russland die Entsendung von Kämpfern oder die Leferung militärischer Ausrüstung und Waffen in die Ukraine gestoppt hätte, hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut nur damit gewarnt, dass “Sanktionen wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden” könnten.
Warum wurden sie von der Tagesordnung heruntergenommen?
Am Mittwoch wurde der Beschluss vom 1. März tatsächlich widerrufen, aber Schlagzeilen wie “Putin beendet die Androhung einer militärischen Intervention nach dem Waffenstillstand in der Ukraine” sind absolut daneben, genauso wie das Gerede von einem “psychologisch wichtigen Fortschritt”.
Der Vorsitzende des russischen Föderationsratsausschusses für Verteidigung, Viktor Ozerov, erläutert selbst die wahre Bedeutung hiervon – oder eher das Fehlen einer solchen – und sagt, der Föderationsrat könne jederzeit wieder die Entsendung von Truppen in Betracht ziehen, wenn “es eine entsprechende Anfrage vom Staatsoberhaupt gibt”.
Wie wir sehen, dauert dies weniger als 24 Stunden.
Warum sollte man sich jedoch die Mühe geben, wenn die formale Entsendung von Truppen enorme Kosten verursacht, sowohl wirtschaftliche als auch politische, eine verdeckte Kriegsführung aber nur zu leeren Drohungen führt?
Die Raketen, mit denen am 14. Juni ein Militärhubschrauber abgeschossen wurde und 49 ukrainische Soldaten und die Besatzungsmitglieder tötete, kam ohne jeden Zweifel aus Russland. Das gleiche gilt wahrscheinlich für den Abschuss eines ukrainischen Militärhubschraubers mit neun getöteten Menschen von diesem Dienstag. Panzer und schwere Artillerie strömen immer noch in die Ukraine, zusammen mit Kämpfern. Die meisten sind Söldner, obwohl einigen von der russischen Medien-Propaganda insoweit verführt wurden, dass sie glauben, für eine “Russische Welt” zu kämpfen, für das russisch-orthodoxe Christentum, gegen den “Faschismus” usw.
Diese Verführung hält unvermindert an, und keineswegs nur in den russischen Medien. Putins Geste über den Widerruf der Erlaubnis, derzufolge er nicht beabsichtige, sie in naher Zukunft zu benutzen, war verbunden mit einer klaren Aussage über die allgemeine Position Russlands. Auf einer Pressekonferenz nach seinem Empfang auf dem roten Teppich in Österreich sagte Putin: “Russland kann nicht ignorieren, was in der Ukraine geschieht, und machte deutlich, dass Russland alles tun werde, um ethnische Russen in der Ukraine zu schützen, und er fügte hinzu, dass Russland auch diejenigen schützen werde, , die sich selbst als Teil der umfassenderen russischen Welt sehen. Obwohl er sagte, er hoffe, dass es nicht die Armee sein müsse, die das auszuführen hätte.”
Außerdem rechtfertigte er die effektive Weigerung der vom Kreml unterstützten Milizen im Osten, ihre Waffen niederzulegen.
“Präsident Putin … erwähnte mehrere Probleme, die etwas von der Heuchelei im ukrainischen Konflikt offensichtlich zeigen, z.B. dass die Rechte Sektor und faschistische Gruppen im Westen zu den Waffen griffen und einen bewaffneten Staatsstreich inszenierten. und dann aber die Menschen im Osten das gleiche taten, um ihre Interessen und ihr Leben zu schützen, sie jedoch als Separatisten bezeichnet werden.”
Diese Unehrlichkeit ist atemberaubend, aber es gibt keinen Hinweis darauf, dass sich seine österreichischen Gastgeber oder die Presse daran gestört hätten. Es gibt nicht die geringste Vergleichbarkeit zwischen den weitgehend friedlichen Protesten des EuroMaidan und den schwer bewaffneten Militanten, die Geiseln genommen haben, von denen einige ermordet wurden, und die die Bevölkerung zu terrorisieren.
Zumindest die NATO, die USA und die EU haben alle erkannt, dass die Waffen und tatsächlich die meisten der Kämpfer aus Russland kommen. Wenn die am Dienstagmorgen vereinbarte Waffenruhe von den Militanten nicht eingehalten wird, trägt Moskau die direkte Verantwortung.
In den russischen Medien jedoch ging es beim größten Teil ihrer Berichte am Dienstag um falsche Behauptungen, denen zufolge das ukrainische Militär die Kämpfe fortgesetzt hätte.
Einer der haarsträubendsten Berichte war der auf LifeNews mit dem Titel: “Der Stadtrand von Slowjansk wird mit Phosphorminen beschossen”, in dem es hieß, “das Artilleriefeuer wird von bewaffneten Formationen unter der Kontrolle des Oligarchen Igor Kolomoisky durchgeführt.” Kolomoisky ist der Gouverneur von Dnipropetrowsk, dessen durchgreifende Maßnahmen von Anfang an die Militanten von dort ferngehalten hat. Die Behauptung über Phosphor, stellt sich später in dem Bericht heraus, stammt von den Militanten selbst, wird aber überhaupt nicht in Frage gestellt.
Ganz im Gegenteil: LifeNews berichtet über Angriffe mit dem Einsatz von Phosphor am 12. Juni. Dies ist bedauerlich, denn die Vorwürfe wurden mit alten Videoaufnahmen aus Falludscha [Irak] im Jahr 2004 als “Beweis” gezeigt, sogar der russische Außenminister Sergej Lawrow erhob diese Vorwürfe.
Der Vorstoß von Putins Pressekonferenz in Österreich und aus den Medien am Dienstag sollte vorgaukeln, dass Kyiw den Frieden verhindern, während Russland alles in seiner Macht tut, um ihn zu erreichen.
Der Besuch in Österreich war ein Triumph für Wladimir Putin, und Forbes berichtete am Mittwoch, dass der Rubel jetzt genau wieder so steht, bevor irgendwelche Worte über unangenehme Sanktionen gesprochen wurde.
Es wurden keine wirksamen Maßnahmen getroffen, um das Gemetzel und das Leiden in der Ukraine zu stoppen. Die einzige Antwort aus Russland auf das Versagen der Militanten, den Waffenstillstand zu beachten, waren Versuche, die Ukraine als “faschistisch” und als Verhinderer der “Friedensbemühungen” des Kreml darzustellen. Da die Obama-Regierung gerade angekündigt hat, dass “Sanktionen gegen wichtige Wirtschaftssektoren in Russland” wegen der “positiven Signale” von Präsident Putin verzögert werden könnten, hat dieser einen guten Anlass zu feiern.
Was auch immer die “weitreichenden Kosten” der direkten Verstöße Russlands gegen das Völkerrecht und der Aggression gegen die Ukraine gewesen sein könnten, der auf russischer Seite erforderliche Aufwand sie abzuwenden, erweist sich als erbärmlich klein.
Quelle: http://khpg.org/index.php?id=1403698247