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Über was sollten sie denn reden, Herr Putin?

Über was sollten sie denn reden, Herr Putin?

Originalquelle: Charkiwer Menschenrechtsgruppe
Übersetzung durch Euromaidan PR auf Deutsch

23.06.14 | von: Halya Coynash | Charkiwer Menschenrechtsgruppe (Übersetzung)

Wladimir Putins Beharren auf “Verhandlungen” mit den vom Kreml unterstützten Kämpfern erscheint nur als Trick, um den Friedensprozess zu behindern. Mit wem man da sprechen sollte ist genauso unklar wie worüber zu sprechen wäre. Dies kann sich geändert haben, da jetzt ein “Verhandlungsführer” vorgeschlagen wird, was auf eine vom Kreml diktierte Agenda schließen lässt.

Im Laufe der letzten zwei Tage hat der russische Präsident Wladimir Putin seine “Unterstützung” für Präsident Petro Poroschenkos Friedensplan geäußert und gefordert, dass es konkrete Maßnahmen für “den Beginn eines Verhandlungsprozesses” geben müsse. Am Sonntag sprach er wieder von “Unterstützung”, während er klar darauf hinwies, dass die ukrainischen Behörden ihre eigene Waffenruhe verletzten. Keine Erwähnung gab es jedoch für die fehlende Bereitschaft der vom Kreml unterstützten Milizen, sich dem Waffenstillstand anzuschließen, Geiselnahmen usw. zu beenden. Noch forderte er sie auf, dies zu tun.

Der Aufruf des Außen-und Verteidigungsministeriums der Ukraine, Russland solle den Friedensplan mit Taten und nicht nur Worten unterstützen, wurde am Sonntag in einem sehr deutlichen Brief der ersten drei Präsidenten der Ukraine, Leonid Krawtschuk, Leonid Kutschma und Wiktor Juschtschenko an Putin wiederholt. Sie schreiben: “Russland hat sich in den Augen der ganzen Welt in ein Land verwandelt, gegen das man sich verteidigen müsse und dem man unmöglich glauben könne. Die Todesrate dieses Gemetzels nähert sich den Tausend. Das ist natürlich nichts im Vergleich mit den Hunderttausenden von Opfern des Krieges in Tschetschenien, den Sie gegen die gleichen Separatisten ohne Rücksicht auf Verluste im Namen der russischen [territorialen] Integrität geführt haben. Doch damals war dies eine interne Angelegenheit des Landes. Jetzt haben Sie beschlossen, diese Methoden und Ansätze auf den Kopf gestellt auf unser Land zu übertragen.”

Wenngleich Putins Worte auf den ersten Blick einfach eine Reaktion auf die Aufrufe aus der EU zur “konstruktiven Verhandlungen” und “politischen Kompromiss” erscheinen, ist es eine Überlegung wert, seine Vorbehalte im Detail anzuschauen. Der Friedensplan, sagt er, “sollte nicht die Form eines Ultimatums an die Aufständischen haben. Die durch die Einstellung der Feindseligkeiten sich ergebende Gelegenheit sollte genutzt werden, um konstruktive Verhandlungen zu beginnen und einen politischen Kompromiss zwischen den Konfliktparteien im Osten der Ukraine zu erreichen.”

Selbst wenn wir die Augen vor der offenen Unterstützung schließen, die Moskau den Militanten zukommen lässt, bleibt es unklar, welche der “Aufständischen” nach Putins Meinung ernsthaft an diesem “Verhandlungsprozess” teilnehmen sollten. Es ist auch alles andere als klar, über was sie denn sprechen sollten.

Die Militanten erklärten sofort, dass sie nicht die Waffen niederlegen und dass sie die Waffenruhe für ihre Neuaufstellung nutzen würden. Gemessen an der Werbung der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti, nutzen sie die Zeit auch, um Söldner mit Erfahrung im Panzerfahren usw. anzuwerben. Keine Regierung der Welt, am wenigsten Russland, würde Verhandlungen mit Militanten zustimmen, die die ersten zwei Tage der von der Regierung einseitig erklärten Waffenruhe nicht nur zum Kampf gegen das Militär verbracht sondern auch Repressalien gegen Zivilisten verübt haben, die aus ihren Wohnorten zu flüchten versuchten.

Ist es die Führung der selbsternannten “Donezker Volksrepublik”, die Putin am Verhandlungstisch haben will? Vielleicht der selbsternannte Verteidigungsminister Igor Girkin alias Strelkow. Er wurde von US-Beamten als Angehöriger von Russlands Militärgeheimdienst GRU identifiziert, “der die Stabilität als Teil eines verdeckten, großen russischen Aktionsprogramms in der Ukraine untergräbt”.

Wenn Girkin zu sehr mit hektischen Kämpfen beschäftigt ist, werden sie vielleicht mit dem “Premierminister” Alexander Borodaj, der zufällig auch aus Russland ist und erst Mitte Mai in der Szene in Donezk auftauchte, sprechen können. Er ist für seine Moskauer Verbindungen mit  extrem nationalistischen Figuren wie Alexander Prochanow bekannt.

Es gibt natürlich auch einige Mitglieder der “Donezker Volksrepublik” aus der Ukraine. Pawel Gubarew stand von Anfang an im Vordergrund. Seine Verbindungen mit der russischen Neonazi-Partei “Nationale Einheit” haben ihn und seine Kameraden nicht daran gehindert, Kreml-Sprüche nachzuplappern, indem er die Militanten als Kämpfer gegen den “Faschismus” darstellt.

Es dann gibt noch Denis Puschilin, ein anderer Führer der “Donezker Volksrepublik”, aber hier stellt sich das nächste Problem: Was gibt es zu diskutieren. Vermutlich würde Putin eine Forderung, die vielen Hunderte von zivilen Geiseln sofort freizulassen, als ein weiteres nicht akzeptables und nicht “konstruktives” Ultimatum verurteilen. Puschilins Aussage einen Tag nach der Pseudo-Volksabstimmung vom 11. Mai, die “Donezker Volksrepublik” wolle sich Russland anschließen, wurde im Einklang mit den öffentlichen Aussagen Russlands verwässert. Die Anführer der “Donezker Volksrepublik” fordern aber nach wie eine russische Militärintervention, und sie bestehen darauf, dass die Ukraine für sie ein ausländischer Staat sei. Aber die Vorstellung, dass sie eine vom Kreml unabhängige Position haben, erscheint schlichtweg absurd. Die sogenannten “Verfassung der Donezker Volksrepublik” macht deutlich, dass viele der verfassungsmäßigen Freiheiten der Ukraine abgeschafft würden, wenn sie an die Macht kämen. Dazu gehören u.a. die Religionsfreiheit, da die “Donezker Volksrepublik” nur die orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats anerkennt. Das sind keine abstrakten Überlegungen für die Zukunft. Wo die Kämpfer die Kontrolle ergriffen haben, haben sie Terror ausgeübt und bei vielen Gelegenheiten Menschen entführt, die sie für verdächtig halten, Gläubige anderer Religionen, Journalisten, Studenten und alle, die ihre Herrschaft ablehnen.

Es scheint jedoch wahrscheinlich, dass die Donezker Volksrepublik zunehmend eine Front genau dafür wird, was der Kreml in der Ukraine zu erreichen versucht. Eine der von Moskau von Anfang an gestellten “Forderungen” war die Föderalisierung, und eine unheilvolle Nachricht auf der Website des russischen Präsidenten vom späten Sonntagabend schlägt vor, dass die Pläne für deren Verwirklichung jetzt ganz greifbare Form annehmen.

Der Bericht stellt fest, dass Putin “Informationen über den Beginn einer ersten Kontaktaufnahme mit dem Führer der Bürgerbewegung “Ukrainische Wahl”, Wiktor Medwedtschuk, in Donezk und Luhansk begrüßt”. Medwedtschuk wird als konsequenter Unterstützer der Idee der ukrainischen Föderalisierung beschrieben, und es wird behauptet, er werde “in Kyiw respektiert” und sei im Westen bekannt.

“Im Zuge der Verhandlungen mit Mitgliedern der Donezker Volksrepublik erhielt W. Medwedtschuk ihre Zustimmung zu einem Treffen mit der OSZE-Mission für einen Dialog zwischen Kyiw und dem Südosten der Ukraine. Russlands Präsident hat wiederholt erklärt, dass eine Beilegung der Krise in der Ukraine nur durch einen friedlichen Dialog und unter Einbeziehung der Interessen der östlichen Regionen des Landes möglich ist.”

Russlands wiederholte Forderungen nach einer Föderalisierung der Ukraine wurden weithin als ein schlecht verborgener Versuch durchschaut, die Ukraine als Staat zu schwächen und eine feste Kontrolle über die östlichen Regionen zu etablieren. Von Medwedtschuk wird allgemein angenommen, dass er als Putins Vertreter in der Ukraine gehandelt hat und eine wichtige Rolle bei der der Ablehnung des EU-Ukraine-Assoziierungsabkommens durch Ex-Präsident Wiktor Janukowytsch gespielt hat. Seine Partei “Ukrainische Wahl” ist für manipulative Werbung bekant, z.B. gab es ein Plakat in der U-Bahn mit der Andeutung, dass die europäische Integration geschlechtliche Ehen verherrliche.

Medwedtschuk war ganz zu Beginn des EuroMaidan am 22. November letzten Jahres bei Putin in Moskau. Er rechtfertigte die Ablehnung des Assoziierungsabkommens mit der Behauptung, dass das Land an den Rand des Abgrunds und “in totale Abhängigkeit, koloniale Abhängigkeit, der EU-Wirtschaft” geraten würde. Er war davon überzeugt, dass sie es mit der EU aufnehmen könnten und die “Hysterie” der Opposition zu bewältigen wäre, weil “ bei nüchterner Berechnung, gibt es objektive Daten und das, was Grundlage für unsere Länder ist – orthodox-slawische Werte, ein gemeinsamer Vektor der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Interessen, eine gemeinsame Mentalität – alles dies spielt eine Rolle und in all diesen haben wir gewonnen”.

Drei Monate später hat der EuroMaidan bewiesen, dass Medwedtschuk, Janukowytsch und Putin falsch lagen – allerdings mit einem schrecklichen Preis für diesen Sieg. Eine Rolle Medwedtschuks bei irgendwelchen Verhandlungen wäre für sehr viele Ukrainer zutiefst beleidigend. Entsprechendes gilt für die Diskussion der vorgeschlagenen Föderalisierung und die falsche Behauptung, dass diese im Interesse östlichen Regionen läge. Bei seiner Antrittsrede nach seinem beispiellosen Sieg im ersten Wahlgang erklärte Präsident Poroschenko deutlich, dass die  einheitliche Struktur der Ukraine nicht verhandelbar ist. Moskau darf nicht erlaubt werden seine Agenda bei “Verhandlungen” durchzusetzen, weder durch Gewalt und durch das vom Kreml unterstützte Milizen verursachte Leid, noch durch wirtschaftlichen Druck oder die westliche Zurückhaltung, harte Sanktionen zu verhängen.

Der Verdacht ist bereits weit verbreitet, dass Russland eine Rolle bei dem aktuellen Skandal in Polen gespielt hat, wodurch wahrscheinlich eine Regierung zurücktreten muss, die konsequent für eine starke Position gegen die russische Aggression eingetreten ist. Unabhängig davon, ob diese Vermutungen sich als gerechtfertigt erweisen oder nicht, die Taktik Moskaus in der Ukraine sollte keine Illusionen in Bezug auf Sicherheit jedes europäischen Landes entstehen lassen, wenn es nicht gestoppt wird.

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