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Offener Brief ukrainischer Juden an den Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin

Offener Brief ukrainischer Juden an den Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin
Article by: Yuriy Lukanov
Translated by: Christine Chraibi
Edited by: A. N.

05. März 2014

An den Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Wladimirovitsch Putin

Sehr geehrter Herr Präsident,

Wir sind jüdische Bürger der Ukraine: Geschäftsleute, Manager, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Wissenschaftler und Gelehrte, Künstler und Musiker. Wir wenden uns an Sie im Namen der multinationalen Bevölkerung der Ukraine, der nationalen Minderheiten in der Ukraine und im Namen der jüdischen Gemeinde.

Sie haben erklärt, dass Russland die Rechte der russischsprachigen Bürger der Krim und in der gesamten Ukraine schützen will und dass diese Rechte durch die jetzige ukrainische Regierung mit Füßen getreten werden. Historisch gesehen sind die ukrainischen Juden auch meist russischsprachig. Insofern ist unserer Meinung über die Ereignisse nicht weniger Gewicht beizumessen als der Meinung derjenigen, die Sie beraten und informieren.

Wir glauben nicht, dass Sie leicht zu täuschen sind. Sie picken sich bewusst Lügen und Verleumdungen aus der großen Menge an Informationen über die Azerbaijan Democratic Association (ADA-UK)raine heraus. Und Sie wissen sehr genau, dass es bei den Aussagen von Wiktor Janukowytsch über die Zeit nach der Unterzeichnung des letzten Vertrags, in denen es heißt “… Kiew ist voll von bewaffneten Menschen, die Gebäude, Kultstätten und Kirchen zu zerstören begonnen haben. Die damit begannen, unschuldige Menschen zu quälen. Menschen sind auf offener Straße einfach ausgeraubt und getötet worden … “, um Lügen handelt, und zwar vom ersten bis zum letzten Wort.

Die russischsprachigen Bürger der Ukraine werden nicht gedemütigt oder diskriminiert, ihre Bürgerrechte sind nicht eingeschränkt. Spekulationen über eine “Zwangsukrainisierung” und ein “Verbot der russischen Sprache”, die so häufig in russischen Medien auftauchen, gibt es nur in den Köpfen derer, die sie erfunden haben. Ihre Überzeugung eines anwachsenden Antisemitismus in der Ukraine stimmt auch nicht mit der Realität überein. Es scheint, Sie verwechseln die Ukraine mit Russland, wo jüdische Organisationen im letzten Jahr anwachsende antisemitische Tendenzen registriert haben.

Gerade jetzt, nachdem die Ukraine eine schwierige politische Krise überlebt hat, finden sich viele von uns auf verschiedenen Seiten der Barrikaden. Die Juden in der Ukraine sind wie alle ethnischen Gruppen nicht unbedingt einig in ihrer Beurteilung der Ereignisse in dem Land. Aber wir leben in einem demokratischen Land und können uns unterschiedliche Meinungen leisten.

Man hat versucht, uns damit zu erschrecken (und diese Versuche werden weiterhin anhalten), dass “Bandera-Anhänger” und “Faschisten” das Ruder der ukrainischen Gesellschaft mit unmittelbar drohenden jüdischen Pogromen herumzureißen versuchen. Ja, wir sind uns bewusst, dass die politische Opposition und die Kräfte der sozialen Proteste, die die Veränderungen zum Besseren abgesichert haben, aus verschiedenen Gruppen bestehen. Dazu gehören auch nationalistische Gruppen, aber auch die kleinsten Randgruppen wagen es nicht, Antisemitismus oder andere fremdenfeindliche Verhaltensweisen zu zeigen. Und wir sind uns sicher, dass unsere sehr wenigen Nationalisten von der Zivilgesellschaft und der neuen ukrainischen Regierung gut unter Kontrolle gehalten werden – was mehr ist, als man über die russischen Neonazis sagen kann, die durch ihre Sicherheitsdienste ermutigt werden.

Wir haben ein großes Maß an gegenseitiger Übereinstimmung mit der neuen Regierung, und eine Partnerschaft beginnt sich abzuzeichnen. Es gibt durchaus mehrere Vertreter nationaler Minderheiten im Ministerkabinett: der Minister für Innere Angelegenheiten ist Armenier, der Stellvertretende Ministerpräsident ein Jude, zwei Minister sind russischstämmig. Die neu ernannten Gouverneure der Regionen der Ukraine sind auch nicht ausschließlich ukrainischer Abstammung.

Leider müssen wir zugeben, dass in den letzten Tagen die Stabilität in unserem Land bedroht ist. Und diese Bedrohung geht von der russischen Regierung aus, nämlich von Ihnen persönlich. Es ist Ihre Politik der Anstiftung zum Separatismus und des unverblümten Drucks auf die Ukraine, die uns und das gesamte ukrainische Volk bedroht, einschließlich derjenigen, die auf der Krim und in den südlichen und östlichen ukrainischen Gebieten leben. Die Ukrainer im Süden und Osten werden es bald selbst sehen.

Wladimir Wladimirowitsch, wir schätzen Ihre Sorge um die Sicherheit und die Rechte der ukrainischen nationalen Minderheiten. Aber wir wollen nicht “verteidigt” werden durch eine Teilung der Ukraine oder eine Annektion ukrainischen Territoriums. Wir rufen Sie nachdrücklich auf, sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einzumischen, sowie die russischen Streitkräfte in ihre normalen zu Friedenszeiten festgelegten Standorte zurückzubeordern und die Förderung des pro-russischen Separatismus zu unterlassen.

Wladimir Wladimirowitsch, wir sind durchaus in der Lage, für den Schutz unserer Rechte in einem konstruktiven Dialog und in Zusammenarbeit mit der Regierung und der Zivilgesellschaft einer souveränen, demokratischen und geeinten Ukraine selbst zu sorgen. Wir bitten Sie daher dringend, die Lage in unserem Land nicht zu destabilisieren, und Ihre Versuche einzustellen, der neuen ukrainischen Regierung die Legitimation abzusprechen.

Unterzeichner:

Josef Zisels, Vorsitzender der Vereinigung der jüdischen Gemeinschaften und Organisationen der Ukraine (VAAD), Geschäftsführender Vizepräsident des Kongresses der Volksgruppen in der Ukraine (CNCU)

Alexander Suslensky, D.Sc., Vizepräsident des Jüdischen Bunds der Ukraine, Geschäftsmann

Andrei Adamovsky, Erster Vizepräsident des Jüdischen Bunds der Ukraine, Mitglied des Jüdischen Studentischen Beobachtungsrats “Hillel” (russischer Staatsbürger)

Evgen Chervonenko, Vizepräsident des Europäischen Jüdischen Kongresses, Geschäftsmann

Rabbi Alex Dukhovny, Oberrabbi der ukrainischen Gemeinden des Progressiven Judaismus

Rabbi Reuven Stamov, Oberrabbi der ukrainischen Gemeinden des Traditionellen Judaismus

Alexander Paskhaver, Mitglied des Koordinationsausschusses des VAAD Ukraine, Wirtschaftswissenschaftler

Leonid Finberg, Direktor des Studienzentrums für Geschichte und Kultur des osteuropäischen Judentums (NaUKMA), Stellvertretender Vorsitzender der VAAD

Anatoliy Podolsky, Direktor des Ukrainischen Zentrums für Holocaust-Studien, Stellvertretender Vorsitzender der VAAD Ukraine

Igor Kuperberg, Vorsitzender des Zionistischen Bunds der Ukraine, Stellvertretender Vorsitzender der VAAD Ukraine

Semen Belman, Vizepräsident des Jüdischen Rats der Ukraine, Präsident Jüdischen Gemeinde von Tschernihiv

Alexander Gaidar, Leiter der Union der Jüdischen Gemeindes des Ukrainischen Progressiven Judaismus

Vyacheslav Likhachev, Führender Sachverständiger für die Beobachtung und Auswertung von Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus des Kongresses der Volksgruppen in der Ukraine (CNCU), Mitglied des Koordinationsausschusses der VAAD Ukraine (russischer und israelischer Staatsbürger)

Michael Gold, Chefredakteur der Zeitung “Hadashot” der VAAD Ukraine

Galina Haraz, Ingenieur (Staatsbürger der Ukraine und Israels)

Igor Turov, Doktor der Geschichtswissenschaft, Direktor des Prüfungsprogramms für Jüdische Studien der VAAD Ukraine, Präsidiumsmitglied der VAAD Ukraine

Diana Gold, Präsidiumsmitglied der VAAD Ukraine

Alexander Roitburg, Künstler

Evgen Greben, Direktor der Jüdischen Gesellschaft für Kultur und Sport “Maccabi” (Kyiw)

Grigoriy Pickman, Präsident der “B’nei B’rith Leopolis”

Igor Kerez, Mitglied des Aufsichtsrats der VAAD Ukraine, Geschäftsmann

Artem Fedorchuk, Direktor des Internationalen Zentrums für Jüdische Bildung und Feldstudien

(weitere Unterschriften werden noch gesammelt)

Quelle: http://eajc.org/page32/news43672.html

Translated by: Christine Chraibi
Edited by: A. N.
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