Der Anführer der “Donbas-Volkswehr” Pawel Gubarew drohte, das Territorium von Neurussland um sieben weitere ukrainische Oblaste zu erweitern. Diese Aussage steht in krassem Widerspruch zu den Plänen der Präsidenten Russlands und der Ukraine bezüglich des Waffenstillstandes. Wenig überraschend nannte Gubarew diese Vereinbarungen “nur ein Stück Papier”.
Bei einem Treffen mit Journalisten in Rostow am Don kritisierten Gubarew und seine Begleiter den Minsker Vertrag, traten für die Fortführung des Kampfes ein, bis die “DNR” und “LNR” endgültig erfolgreich seien, und versprachen Igor Strelkows unerwartete Rückkehr.
Der ursprüngliche Plan für die Veranstaltung, die von der Informations-Agentur RBC-Süd organisiert wurde, war ein runder Tisch zum Thema “Wofür kämpft Neurussland?” Die Anführer der ‘LNR’ und ‘DNR’ waren eingeladen (neben Pawel Gubarew war auch der stellvertretende Vorsitzende der Volksbefreiungsfront Neurusslands, Denis Puschilin, sowie Politikexperten aus Rostow und der Hauptstadt angekündigt).
Trotz der schrecklichen Regenfälle kamen ungefähr 50 Journalisten, um die angekündigten Neuigkeiten im Medienzentrum von Rostow zu hören. Während sie sich setzten und ihre Ausrüstung aufstellten, stellte sich heraus, dass die Hälfte der Leute, die angemeldet waren, nicht gekommen war. Die Schilder mit den Namen der Redner wurden von den Tischen entfernt (zum Beispiel Denis Puschilin), und statt einer Antwort auf die angekündigte Frage (Wofür kämpft Neurussland?) zu versuchen, beschlossen sie, die Situation im Südosten der Ukraine zu diskutieren.
Ein Mitglied der russischen Gesellschaftskammer, [A.d.Ü.: einer Putinschen Chimäre zum Aushebeln des Parlaments], Direktor des Zentrums für geopolitische Studien, Walerij Korowin, trat ans Rednerpult. Und er schockierte die Öffentlichkeit sofort mit der Aussage, dass man dem russischen Präsidenten Putin, der den Friedensplan zur Regelung der Lage im Donbas vorgeschlagen hatte, eine Falle gestellt hätte. Der eigentliche Plan sähe laut Korowin ganz überzeugend aus, jedoch der Zeitpunkt der Verkündung und obendrein der Ausführung, sei nicht weise gewählt worden: Der Plan hätte entweder vor den aktiven Angriffen der ukrainischen Artillerie akzeptiert werden sollen oder nachdem die vorrückende Rebellion die Volksrepubliken Donezk und Luhansk erreicht habe, also wenn das Territorium der “DNR” und “LNR” von den von Kyiw in den Donbas entsandten Nazi-Mördern befreit worden sei.
Die aktuellen Friedenstreffen in der Geisteshaltung des militärischen Erfolges der Rebellion erinnerten an Momente während des ersten Tschetschenienkrieges, “als die Streitkräfte der Föderation die Terroristen in die Berge zurückdrängten und fast zerstörten, dann aber Befehlen des Kremls bezüglich eines Waffenstillstandes folgend sich im Wesentlichen zurückzogen, was den Söldnern eine Chance gab, sich neu zu formieren und die Kämpfe mit neuer Stärke zu beginnen.” Korowin verglich den Waffenstillstandsvertrag, der am 5. September in Minsk unterzeichnet worden war, mit dem Vertrag von Chassawjurt [A.d.Ü.: beendete am 31.8 1996 formell den Ersten Tschetschenienkrieg].
“Damals erhielt Tschetschenien de facto die volle Unabhängigkeit, de iure erklärte es aber nicht den Rückzug aus Russland. Dasselbe wird heute für den Donbas vorgeschlagen. Er [der Friedensplan] wird von denjenigen exekutiert, die mit dem ersten Tschetschenienkrieg zu tun hatten, es ist das alte Team, das noch immer irgendwie an der Macht ist in Russland.
Walerij Korowin äußerte die Vermutung, dass es eine gewisse Verschwörung von Oligarchen gäbe, deren Ziel die Vermögenswerte seien, die noch immer dem ukrainischen Geschäftsmann Rinat Achmetow gehörten. Nicht nur ukrainische sondern auch russische Oligarchen wollten laut Korowin diese Assets haben. Sie seien diejenigen, die den russischen Präsidenten „sabotieren, indem sie das Vertrauen der Bevölkerung, der Nation und der globalen Gesellschaft Putin gegenüber in ihr eigenes, persönliches Einkommen umwechseln“.
Abschließend sagte Korowin, der Krieg könnte in dem aktuellen unentschiedenen Zustand nicht beendet werden.
Seine These wurde vom Anführer des Volksaufstandes im Donbas, Pawel Gubarew, weiter entwickelt, und er begann mit einem Überblick – indem er die Grenzen von Neurussland festlegte.
“Das ist das Territorium der Oblaste der LNR, DNR, Saporischschja, Dnipropetrowsk, Charkiw, Mykolajiw, Cherson und Odesa. Ich würde auch mehrere Bezirke der Oblast Kirowograd mit einbeziehen, das sogenannte Neuserbien, das immer für pro-russische und eurasische Kräfte gestimmt hat.“
Dieses Gebiet ist laut Gubarew durch eine Reihe von politischen und sozialen Faktoren bedingt: In diesem Territorium wird Russisch gesprochen und die Bevölkerung braucht im Durchschnitt zwei Sekunden, um über ihre Nationalität nachzudenken; die politischen Kräfte treten für eine Union mit Russland ein, für die eurasische Wirtschafts- und Zollunion. Nach dem militärischen Erfolg der Rebellion im Donbas sollte man für dieses große Neurussland weiterkämpfen: “Wenn wir den Prozess in Donbas stoppen, werden wir den Rest Neurusslands für immer verlieren. Denn eine gesamte Generation wurde unter ukrainischer Propaganda erzogen.“
Laut Pawel Gubarew wurde 23 Jahre lang die Geschichte der Ukraine als tausendjähriger Kampf gegen Moskowien, das russische Reich, die sowjetische Herrschaft dargestellt. “Dadurch dass man diese Fakten bedient hat, wurden die Bürger der Ukraine in ein anderes Zivilisations-Paradigma, in eine andere Identität gezwungen.“ ”In Wirklichkeit“, so ist Gubarew überzeugt, “hat es gar kein Kyiwer Rus gegeben, nur Rus.“ „Und als der Putsch am Maidan passierte, haben sich die Menschen sofort erinnert, dass sie Russen seien. Das ist der Grund für die Rebellion im Donbas. Die tatsächliche Identität sei zu den Bewohnern der anderen Territorien im Südosten der Ukraine zurückgekehrt, aber die Rebellion habe dort nie stattgefunden:
“Leider haben wir es aus verschiedenen Gründen nicht geschafft, uns dort neu zu gruppieren, viele wurden inhaftiert“, erklärte Gubarew die Gründe für ein solches Ungeschick.
Indes ist laut Gubarew nicht die gesamte Ukraine Teil der russischen Welt. Sie beinhaltet nicht die Territorien, die, „sagen wir, ein ukrainisches Betriebssystem haben.“ Solche Oblaste, wo es bereits unmöglich ist, „aus dem Gefängnis auszubrechen“ und eine russische Vorherrschaft zu installieren, sind u.a. Lemberg, Ternopil und Iwano-Frankiwsk“, sagte der Anführer der Rebellion im Donbas.
Pawel Gubarew nannte das Abkommen, das in Minsk unterzeichnet worden war, „einfach ein Blatt Papier, das nicht mit der Stimmung und den Wünschen der Bevölkerung in Einklang steht”. Seiner Ansicht nach würde das Abkommen keine besonderen Änderungen für die Menschen im Donbas bringen: Während früher Kyiw das Geld nahm, das in der Region abkassiert wurde, wird das nun durch einheimische Oligarchen geschehen. “Das Volk kämpft nicht dafür. Das Volk kämpft für Unabhängigkeit, für Freiheit.“
Das Minsker Abkommen kann nach Meinung des Anführers des Volksaufstandes im Donbas aus verschiedenen Gründen nicht umgesetzt werden. Der erste ist, dass der ukrainische Präsident Petro Poroschenko kein Untertan der Regierung ist („er ist es einfach nicht, ich mache mir nicht einmal die Mühe das zu erklären“) und keine Militäraktion der Streitkräfte stoppen kann, die auf der Seite Kyiws kämpfen (die Armee, die Selbstverteidigungs-Bataillone, die Nationalgarde und der Rechte Sektor).
Außerdem ist der ukrainische Staatspräsident laut Gubarew daran interessiert, den Kampf weiterzuführen und so die Befehle der USA auszuführen, Russland zu schwächen. Und Kyiw braucht das Waffenstillstandsabkommen, um sich neu zu formieren.
“Trotz des Stücks Papier, das sie unterzeichnet haben, ist eine Verlegung der ukrainischen Armee im Gange. Eine neue Mobilisierungswelle ist unterwegs. Geheime Treffen mit der NATO, um Waffennachschub zu bekommen. All das passiert, das Blatt Papier sammelt Staub an, alles läuft nach Plan.”
Herr Gubarew meint, dass die DNR- und LNR-Repräsentanten Aleksandr Sachartschenko und Igor Plotnitsky nicht gelesen haben, was in dem endgültigen Abkommen steht.
Es heißt ‚die Oblaste von Donezk und Luhansk‘, ‘Wahlen’, ‘Gouverneur’, der gewählt wird, wenn Poroschenko es erlaubt…Das hat die Rebellion durcheinander gebracht…“
Im Allgemeinen liege der Kern der Probleme und der bewaffneten Auseinandersetzungen im Donbas im Wirtschaftsprogramm:
“Die Wurzel des Problems ist die Armut, die materiellen Vermögen liegen physisch in den Territorien der Oblaste Donezk und Luhansk. Ehemalige Oblaste. Es gibt Kräfte, die dieses Eigentum mit allen Mitteln behalten wollen, sie wetten auf alles. Es gibt Kräfte, die denken, dass das das Eigentum anderer sei. Und sie wetten auch, spielen ein grausames Spiel und benützen eine Anzahl Bewaffneter, um das zu tun.”
Aber all diese Kräfte, sagt Pawel Gubarew, übersehen einen wichtigen Punkt: den Gesinnungswandel der Leute in der LNR und DNR und der russischen Föderation. In Übereinstimmung mit diesem Wandel wird auch ein politischer und wirtschaftlicher Wandel kommen.
“Vor allem nicht nur die Oligarchen aus dem politischen Prozess entfernen. Das ist das mindeste. Aber auch die materiellen Vermögen der Oligarchen konfiszieren auf den Territorien der Volksrepubliken von Luhansk und Donezk.”
Daher glaubt Gubarew, dass der bewaffnete Widerstand anhalten sollte, um die historische Mission der Eroberung von Neurussland auszuführen. Andernfalls würde „ein völlig feindliches Land in Russlands Unterbauch auftauchen, in dem keine pro-russische Regierung gewählt werden kann.“
“Deshalb haben die Menschen zu den Waffen gegriffen. Und wenn wir über das Unterzeichnen von Dokumenten mit der Kyiwer Junta reden, glaube ich, dass das einzige Dokument, das wir mit ihnen unterzeichnen werden, ihre Kapitulation sein wird.”
Als das Gespräch auf mögliche Themen bei zukünftigen Treffen in Minsk kam, sagte Pawel Gubarew, dass er keine offizielle Funktion bekleide, er würde nicht nach Minsk gehen und habe daher keine Ahnung, worüber man dort sprechen würde:
“Sachartschenko sagte, dass sie über Unabhängigkeit diskutieren. Ich weiß nicht, worüber und in welchem Format er die Unabhängigkeit mit Kutschma diskutieren werde. Ich würde mich darauf freuen, es ist schade, dass ich nicht dort sein werde.”
Gubarew versprach, dass Igor Strelkow zurückkommen werde. Walerij Korowin nannte den früheren ‘DNR’-Verteidigungsminister eine Schlüsselfigur im Projekt „Neurussland“ und fügte hinzu, dass, hätte Strelkow die neurussische Armee weiter angeführt, er nie so eine Schande (die Unterzeichnung des Friedensvertrages) erlaubt hätte, weswegen sie ihn abgesetzt hätten.”
Aber Pawel Gubarew erzählte der Öffentlichkeit: “Es geht ihm gut. Er wird sich bald zeigen und es wird eine große Überraschung geben.”
Quelle: Novaya Gazeta
aus dem Englischen übersetzt von Euromaidan Press auf Deutsch