von Halya Coynash – Charkiwer Menschenrechtsgruppe
(Übersetzung von: http://khpg.org/en/index.php?id=1400151717)
Einen Dialog zu führen, so sind wir gewöhnt, ist immer besser als nicht zu sprechen. Das gilt jedoch nicht, wenn Krisengespräche am “Runden Tisch” dazu dienen, die Einführung von echten EU-Sanktionen gegen Russland zu verschieben, die insbesondere von Deutschland behindert werden. Es gilt auch dann nicht, wenn die Schlagzeilen der internationalen Presse schnell bei der Hand sind, die nahelegen, dass Kyiw solche Gespräche “vorsätzlich behindert, indem es ablehnt, Separatisten einzuladen”.
Die Regierung in Kyiw weigert sich, die pro-russischen Aktivisten einzuladen, es sei denn, sie legen ihre Waffen nieder. Was auch immer für Motive die OSZE und der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier in ihrem Drängen auf “Friedensverhandlungen” haben mögen, die Weigerung Kyiws hilft vor allem Russland, und das ziemlich unnötig. Wie viele von den anwesenden Auslandsvertretern wären bereit, mit Männern in Masken und mit Kalaschnikows bewaffnet am Tisch zu sitzen?
Welche Regierung in der Welt wäre bereit, Verhandlungen zu führen, wenn gleichzeitig maskierte Bewaffnete in ein Gymnasium in Luhansk eindringen und der Schulleiterin vor den Augen ihrer Schüler und anderer Mitarbeiter Handschellen anlegen und sie entführen? Alexandra Schewtschenko hatte die Militanten durch ihre Weigerung verärgert, ihre Schule am letzten Sonntag für die Pseudo-Volksabstimmung zu benutzen. Die pro-russischen Kämpfer in Slowjansk haben mindestens drei Geiseln gefoltert und ermordet und halten eine große Zahl von anderen in Geiselhaft. Das gleiche tun auch die Militanten in Luhansk , die am 10. Mai den jungen Aktivisten Mychailo Logwinenko beim Anbringen von Plakaten gegen die Pseudo-Volksabstimmung vom 11. Mai ergriffen. Er ist hier zu sehen , wie er in Ketten öffentlich geschlagen und gedemütigt wird. Das Video wurde von seinen Peinigern selbst gemacht. Bürger-Aktivisten in Luhansk wurden Zeugen, wie Militante mit ihren Händen einen lokalen Händler “überzeugt” haben, ihnen kistenweise Wodka auszuhändigen.
Nach der Organisation von “Volksabstimmungen”, bei denen jedermann mehrfach und ohne Ausweiskontrolle abstimmen konnte und die dann angeblich nahezu 100% Unterstützung für die “Unabhängigkeit” ergaben, baten die Militanten für ihre “Republiken” sofort, Teil der Russischen Föderation zu werden, und sagten, dass es keine Präsidentschaftswahlen geben werde.
Am Mittwoch besetzten pro-russische Aktivisten das von der Bezirkswahlkommission Nr. 111 in Antrazyt (Region Luhansk) genutzte Gebäude. Sie drohten den Wahlausschussmitgliedern und ihren Familien mit Repressalien, falls sie weiterhin die Präsidentschaftswahlen am 25. Mai vorbereiteten. Ähnliche Drohungen gab es gegen Mitglieder des Wahlausschusses in Krasnyi Luch.
Um was geht es also?
Nach der illegalen Annexion der Krim hat Russland pro-russische “Separatisten” bewaffnet und unterstützt, deren erste Handlung nach einer angeblich überwältigenden Mehrheit für die Unabhängigkeit die Bitte nach einem Ansschluss an Russland war. Am Mittwoch begann die selbsternannte “Volksrepublik Donezk” diese Absicht nach öffentlichen – und vielleicht privaten – Aussagen von Moskau abzuschwächen.
Man kann darüber streiten, was als Beweis dienen kann, die EU-Länder wissen jedoch, dass Russland hinter den Problemen im Osten und Süden der Ukraine steht, und dass es versucht, die kommenden Wahlen zu stören. Die Hauptrolle der schwer bewaffneten Militanten scheint im Moment zu sein, die Abhaltung dieser Wahlen zu verhindern.
Durch einen Pseudo-Dialog und den Verzicht auf alle Sanktionen, die diesen Namen verdienen, hat die EU selbst der ins Stocken geratenen Demokratie der Ukraine einen schweren Schlag versetzt – und schürt damit eine Krise, die auch andere Länder in der Region zu verschlingen droht.