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Lesja Orobez: Kommentar zur neuen ukrainischen Verfassung

Lesja Orobez: Kommentar zur neuen ukrainischen Verfassung
Article by: Yuriy Lukanov
Translated by: Christine Chraibi
Edited by: A. N.

Lesja Orobez: Ja, die Verfassung von 2004 ist kein Allheilmittel, jedoch würde sie Janukowytsch den festen Boden unter den Füßen entziehen

Quelle: http://uapress.info/uk/news/show/16956

[Lesja Orobez, eine 31-jährige Ehefrau und Mutter, musste die letzten Monate praktisch rund um die Uhr eine kugelsichere Weste tragen, auch oder insbesondere im Parlament. Als bekannte Regimekritikerin lebte sie unter Mordandrohungen, “wenn sie sich nicht beruhige”. Ihre Verachtung der regierenden Clique ist allgemein bekannt. An den Tagen an denen das Parlament nicht tagte, sah man sie auf dem Maidan politische Lösungen diskutierend. Lesja Orobez ist bekannt für ihren Gerechtigkeitssinn und klaren Kopf. Die Juristin ist diejenige, die fähig ist, die konstruktivste Analyse der Gesetzeslage zu liefern. Sie ist Mitglied der Partei Batkiwschtschyna.]

Momentan finden sehr viele Diskussionen über die Rückkehr zur Verfassung von 2004 statt. War es nötig [diese Diskussionen anzufangen] und was würde die Rückkehr [zur Verfassung 2004] bringen?

Ich versuche hier die Schlüsselargumente darzulegen:

Natürlich bleibt weiterhin die Hauptforderung bestehen: Janyks [verächtlich für “Janukowytsch”] Amtsenthebungsverfahren und die Bestrafung aller Schuldigen an Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Analysiert man jedoch, so gibt uns die Verfassung 2004 die Mechanismen für die Implementierung dieser Entscheidungen, mögen sie auch nicht so schnell wirken, wie wir es uns alle wünschen.

1. Das momentan Wichtigste vielleicht zuerst. Die Werchowna Rada [Parlament] ernennt und entlässt nach Aufforderung des Präsidenten der Ukraine folgende Amtsinhaber: den Chef des Sicherheitsdienstes der Ukraine und den Generalstaatsanwalt der Ukraine zu. (Artikel 85.) Dabei kann die Werchowna Rada der Ukraine ein Misstrauensvotum gegen den Generalstaatsanwalt beschließen, was seinen Rücktritt zur Folge hat. Somit wäre jetzt die Frage der Entlassung aus dem Amt von Pschonka, und dann sein Stelldichein vor Gericht eigentlich nur noch eine Frage der Zeit. Und so könnte er leider bald über alle Berge sein, der Schurke.

2. Auch unter der neuen Version der alten Verfassung [von 2004] ist es grundsätzlich die parlamentarische Mehrheit, die einen Vorschlag bezüglich der Nominierung des Ministerpräsidenten macht, sowie einen Vorschlag über die Zusammensetzung der gesamten Regierung. Der Präsident darf sich an der Regierungsbildung lediglich nominell beteiligen, und zwar nur was die drei Posten anbetrifft: Ministerpräsident, Verteidigungsminister und Minister für auswärtige Angelegenheiten, und zwar nur durch die Einreichtung seiner Vor-Vorschläge, die von der Werchowna Rada (Mehrheit) genehmigt oder nicht genehmigt werden. [Das heißt er hätte eine beratende Stimme.] Die übrige Zusammensetzung des Kabinetts findet ohne die Beteiligung des Präsidenten statt.

3. Das Problem der Nichtunterschreibung der Gesetze durch den Präsidenten veschwindet, für welche Werchowna Rada die Vetomöglichkeit für den Präsidenten aufgehoben hat. Demzufolge, wenn der Präsident der Ukraine sich weigert, ein solches Gesetzt zu unterzeichnen, wird das Gesetz mit sofortiger Wirkung offiziell durch den Sprecher der Werchowna Rada der Ukraine verkündet und mit seiner Unterschrift (Artikel 94) veröffentlicht.

4. Die Nationalbank verliert das Initiativrecht (§ 93). Es gab Zeiten, als alle Aktionäre sehr froh über diese Initiative waren, die Ereignisse der letzten Zeit haben wohl zu einer Meinungsänderung geführt.

5. Von nun an kann der Präsident die Handlungen des Ministerkabinetts der Ukraine nur dann unterbrechen, wenn ihre Aktivitäten der Verfassung widersprechen, gleichzeitig muss er dies beim Verfassungsgericht überprüfen lassen. Er kann nicht alleine nach Belieben unter Berufung auf den Text der Verfassung von 1996 entscheiden. (§ 106)

6. Der Präsident verliert das Vetorecht bei Änderungen der ukrainischen Verfassung, die von der Werchowna Rada verabschiedet wurden. (§ 106)

7. Der Vorsitzende der Werchowna Rada übernimmt die Verpflichtungen des Präsidenten im Falle seiner Amtsenthebung bis zum Amtsantritt eines neugewählten Präsidenten. (§ 112)

8. Von nun an ist nicht mehr der Präsident sondern das Ministerkabinett dafür zuständig, Ämter und Behörden zu reorganisieren oder aufzulösen. Des weiteren ist es auch in der Macht des Ministerkabinetts die Hauptverwaltungstellen der Exekutive, die nicht zu dem Ministerkabinett zählen, auf Vorschlag des Ministerpräsidenten zu besetzen oder zu entlassen. (§ 116)

9. Der Rechnungshof, wird neben der Funktion der Ausgabenkontrolle auch die Kontrolle der Einnahmen des staatlichen Budgets der Ukraine übernehmen (§ 98).

10. Laut der wiedereingesetzten Verfassung wird das Mandat eines Abgeordneten vorzeitig beendet, falls er aus seiner Fraktion austritt oder nicht mehr an Sitzungen des Parlaments teilnimmt (§ 81).
Das erklärt unter Anderem die massenhaften Ausreisen der Mitglieder der Partei der Regionen. Später wird es nicht mehr schmerzlos verlaufen.

11. Mit der Rückkehr der Koalition kehren auch damit verbundene Risiken zurück: Deswegen kann der Präsident unter der neuen Verfassung die Werchowna Rada jetzt unter drei Umständen auflösen. 1. Im Falle, dass innerhalb von 30 Tagen nach Beginn der Legislaturperiode keine Plenarsitzung stattfinden konnte (diese Möglichkeit gab es schon unter der bisherigen Verfassung) 2. Wenn innerhalb von 30 Tagen nach Parlamentswahlen keine Regierungsmehrheit gebildet wurde. 3. Wenn innerhalb von 60 Tagen das Ministerkabinett nicht zusammengestellt wurde (§ 90).

Das hat bedeutende Folgen: Falls die Fraktionen keine Einigung erzielen, werden die Wahlen wiederholt.

Selbstverständlich ist die Verfassung von 2004 nicht die Ideallösung, die man sich für die Ukraine erträumt. Aber sie schwächt Janukowytsch. Sie begrenzt ihn in seiner Macht seine Kriechtiere zu dressieren und zu zwingen. Und so ein Janukowytsch, nach all den Gesetzen seines Rudels, wird von ihnen wahrscheinlich einfach lebendig aufgefressen werden, mit der schönen Erinnerung wie er sie zu kuschen zwang.

Deswegen lasst uns diesen kleinen Schritt als ersten Schritt zum Frieden genießen. Das vergossene Blut reicht uns, lasst uns den Druck auf diese Gäule ohne weitere Todesfälle machen.

Quelle: http://uapress.info/uk/news/show/16956

Translated by: Christine Chraibi
Edited by: A. N.
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