Zwei Tage nach den durch das Besatzungsregime organisierten und von den meisten Krimtataren boykottierten “Wahlen” wurde ihre Vertretung, die Medschlis, einem schweren Angriff ausgesetzt. Am Morgen des Dienstags umstellten bewaffnete Männer das Gebäude der Medschlis in Simferopol, die Zufahrtsstraße wurde blockiert, und Beamte des russischen FSB begannen eine Durchsuchung der Räumlichkeiten. Bewaffnete Männer drangen auch in das Haus des Medschlis-Mitglieds Eskender Barijew ein und durchsuchten die Wohnung, angeblich suchten sie nach “verbotenen Schriften”. Mehrere Computer wurden entfernt. In den letzten Wochen wurde eine große Anzahl von bewaffneten Durchsuchungen bei moslemischen Krimtataren unter dem Vorwand vorgenommen, dass die Beamten nach Schriften suchten, die auf der sehr langen Liste der in der Russischen Föderation verbotenen Bücher waren (mehr Details hier).
Laut dem Bericht eines Korrespondenten von Radio Swoboda – Krim-Service bildenten sechs Männer in Masken und Militäruniform mit Maschinengewehren sowie bis zu zehn Polizeibeamte einen Kordon um das Gebäude herum. Sie weigerten sich, Fragen zu beantworten, aber niemand wurde in das Gebäude hinein- oder herausgelassen.
QHA berichtet, dass Ali Hamzin, einem Mitglied der Medschlis, von einem der FSB-Offiziere, gesagt wurde, es handle sich um “Ermittlungen”. Hamzin nannte das Vorgehen unverblümt eine Provokation und forderte eine richtige Erklärung.
Wie es heißt, findet die Durchsuchung eine Fortsetzung in der Geschäftsstelle des Medschlis- Zeitung Awdet. Deren Chefredakteur Schewket Kaibullajew ist zur Zeit nicht anwesend.
Wie hier berichtet, wurden Kaibullajew und seine Zeitung bereits des ‘Extremismus’ beschuldigt, wie das Besatzungsregime dies nennt. Im Juni erhielt er eine offizielle Verwarnung wegen angeblicher “Propaganda von Extremismus”. Die nach der russischen Besetzung installierte Staatsanwältin Natalja Poklonskaja behauptet, dass Zeitungsartikel Spannungen in den Beziehungen zwischen den Volksgruppen erzeugt hätten, und hat diese als extremistische Aktivitäten dargestellt. Als “extremistisch” angesehene Worte sind u.a. “Annexion”, “Besetzung” und “vorübergehende Besetzung der Krim”.
Mindestens ein Beamter soll den gesamten Überfall auf Video aufgenommen haben. Radio Swoboda berichtet, dass Journalisten die Vorgänge im Gebäude nicht filmen durften. Eine russische Akkreditierung wurde gefordert, und man warf sie hinaus, einigen wurden mit der Verhaftung bedroht.
Dieser plumpe Angriff geschah, nachdem ein Tag zuvor drei bewaffnete Männer um 3 Uhr morgens in das Gebäude eingebrochen waren und die ukrainische Flagge entfernt hatten.
Diese wurde am nächsten Morgen wieder gehisst. Dies hat die Behörden wahrscheinlich verärgert. aber der Grund für die offensichtlichen Repressalien wird durch die Flagge gut symbolisiert, wenngleich er tiefer geht.
Russland und sein Besatzungsregime auf der Krim haben bei einer Reihe von Gelegenheiten versucht, die Unterstützung der Krimtataren mit Worten zu gewinnen. Dies ist aus mehreren Gründen fehlgeschlagen. Die Krimtataren haben allen Grund, Russland und der Sowjetunion zu misstrauen, und sie wollen trotz aller Fehler, die die aufeinander folgenden ukrainischen Regierungen begangen haben, unbedingt Teil der Ukraine bleiben.
In den etwas mehr als sechs Monaten des russischen Besatzungsregimes hat sich gezeigt, dass die Befürchtungen der Krimtataren nicht unbegründet sind. In einer Erklärung mit der Bekräftigung der Aufforderung an die Krimtataren und allen betroffenen Beowhner der Krim, die “Wahlen” vom vergangenen Sonntag zu boykottieren, hatte die Medschlis eine lange Liste von repressiven Vorkommnissen sowie Verbrechen aufgestellt, wie z.B. den Mord an Reschat Ametow, zu dem die Behörden sich grundsätzlich geweigert haben, Ermittlungen aufzunehmen.
Das außergewöhnliche Vorgehen vom Dienstag lässt leider vermuten, dass Russland jetzt auf offene Repression zurückgreift, nachdem die “Zähmung” oder Ruhigstellung der Medschlis fehlgeschlagen ist.