…anlässlich einer Demonstration zur Unterstützung der Ukraine in Frankfurt/Main am 5.7.2014
Nachfolgend meine Ansprache auf der heutigen Demo in Frankfurt.
Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger, liebe Freunde!
Noch vor einer nicht allzu langen Zeit habe ich mir nicht vorstellen können, dass ich auf einer politischen Demo eine Rede halten würde. Ich bin kein guter Redner. Aber in der Situation, in der wir uns gerade befinden, muss ich reden.
Liebe Freunde, sehr oft hört man in den Nachrichten einzelne Sätze über den kalten Krieg. In dem Sinne, dass wir kurz davor sind. Ich muss euch leider enttäuschen: wir, und zwar alle Europäer, befinden uns bereits im Krieg. Das ist kein kalter Krieg. Das ist ein gemeiner hinterhältiger Krieg, den der kleine Diktator namens Wladimir Putin gegen die demokratische Welt führt.
Gestern habe ich zum Thema der Geschehnisse in der Ukraine mit einem Herrn M. aus einer Kleinstadt in Sachsen ein Telefonat geführt. Der Mann sagte mir ungefähr Folgendes: „Jeden Tag hören wir etwas über die Ukraine. Jeden Tag was neues. Wir konnten nicht einmal die Fußballweltmeisterschaft in Ruhe genießen: bei euch ist am laufenden Band was los. Wann werdet ihr euch endlich beruhigen?“
Noch mal zum Mitschreiben: Herr M. wird durch die Ukraine beim Fußballschauen gestört.
Und nun möchte ich einfach ein Paar historische Tatsachen nennen, die womöglich diesem und Millionen anderer Menschen in Europa, die von den Geschehnissen nichts mitkriegen, unbekannt sind. Das sind etwas andere Geschehnisse, als Fußball oder eine Feier des örtlichen Schützenvereins.
1992 – Transnistrien.
1994-1996 – Tschetschenien
1999-2009 – Tschetschenien
2008 – Südossetien, Abchasien und Georgien
Bei jedem der genannten Konflikte starben Menschen. Hier bei uns, in Europa. Heute sterben Menschen im Nahen Osten und in der Ukraine.
Die von Putin verwaltete Kriegsmaschine annektierte durch das vorgespielte Referendum die Krim. Unser Herr M. schaute währenddessen seine Lieblingssendungen „Fernsehgarten“ und „Wetten, dass?“.
Es gab eine furchtbare Tragödie in Odesa – unser Herr M. war im Urlaub in den Alpen. Hat zwar etwas mitgekriegt, aber das hat ihn nicht weiter interessiert: er ist sich nicht sicher, wo sich Odesa befindet; schließlich ist es ziemlich weit weg von Sachsen.
Über die von Putin angestifteten separatistischen Unruhen in Kharkiw und in den anderen Städten der Ukraine hat unser Herr M. doch etwas mitgekriegt: in der Stammkneipe hat man davon gesprochen. Angeblich müssen da die Russischsprachigen geschützt werden.
Und die Geschehnisse in Donbas verwirrten unseren Herrn M. komplett.
Leider ist dieser Herr M. die Abbildung unserer Gesellschaft. Und an seinem Beispiel können wir sehen, wie tief wir alle gefallen sind.
Und nun lege ich den Sarkasmus beiseite und sage Folgendes.
Unsere Demokratie ist in Gefahr. Sie wird bedroht durch die Handlungen des kleinen Diktators, der im Kreml sitzt. Und wir können das nicht mehr gedulden. Denn wenn wir noch länger warten würden, werden wir sehr bald hier auf dem Römer russische Panzer sehen. Sollte es euch surrealistisch erscheinen – vor einiger Zeit hat auch niemand an die Putins Aggression gegen die Ukraine geglaubt.
Wir fordern adäquate Sanktionen gegen die Regierung von Putin, und zwar jetzt. Adäquate Sanktionen beinhalten die Einreiseverbote und die Sperrung aller Konten folgender Personen:
– Herr Putin persönlich;
– Alle Mitglieder der Duma;
– Alle Mitglieder des Föderationsrats;
– Alle Minister der Russischen Föderation;
– Alle oberen Manager der staatlichen und der dem Staat nahstehenden Unternehmen;
– Die Familienmitglieder aller aufgelisteten Personen – es sei denn, die Familienmitglieder sich von der Kremlpolitik öffentlich distanzieren.
Gleichzeitig fordern wir ein gesetzliches Verbot für die Unternehmen der EU, jegliche Businesskontakte und Geschäfte mit den genannten Personen und den staatlichen und dem Staat nahen Unternehmen Russlands zu führen.
Wir fordern ferner eine korrekte Berichtserstattung über die Geschehnisse in der Ukraine.
Wir können das Wort Ukrainekrise nicht mehr hören. Es gibt keine Ukrainekrise. Es gibt einen bösen und hinterhältigen Krieg, den Putin gegen die Ukraine führt. Das Wort Ukrainekrise wurde den deutschen Medien von der Putinpropaganda in den Mund gelegt.
Wir fordern adäquate Gäste in den Talkshows, in den über die Ukraine gesprochen wird. Wir wollen nicht, dass die Herren Kujat, Scholl-Latour, Gysi und andere Putinversteher uns erklären, dass wir mit den Terroristen bzw. Massenmördern verhandeln müssen und wir wollen, dass der Altkanzler Helmut Schmidt sich für seine Äußerungen über das Volk der Ukraine öffentlich entschuldigt.
Und weil ich gerade das Wort Altkanzler gesagt habe: wir fordern, dass Herr Schröder alle seinen Ämter bei Gazprom niederlegt und seine Lobbyarbeit sofort einstellt. Das, was er tut, ist ein Verbrechen gegen Deutschland und gegen Europa.
Wir dürfen uns von den prorussischen Lobbyisten nicht einreden lassen, dass durch die Sanktionen gegen Russland in Deutschland und Europa Arbeitsplätze gefährdet sind. Ich kenne bis jetzt kein einziges Unternehmen, das aufgrund des schlechten Russlandgeschäfts Arbeitsplätze abbauen oder gar Gewinne streichen mussten.
Wir dürfen nicht mehr hinnehmen, dass manche Medien die in Deutschland lebenden ukrainischen Bürger als nazistisch oder gar faschistisch bezeichnen. Solche Berichterstattung wurde von der Putinpropaganda angefangen, und viele deutschen Medien übernehmen die fabrizierten lügnerischen Berichte, ohne sie nachzuprüfen. Warum reden die Vertreter dieser Medien nicht mit uns? Warum müssen wir uns permanent rechtfertigen, immer irgendwas beweisen und immer auf die Antworten warten, die nicht kommen?
Ich als jüdischer Bürger will auch nicht mehr den in Deutschland wachsenden und durch die Ultrarechten und Ultralinken propagierten Antisemitismus erleben.
Wir fordern deswegen den Verfassungsschutz nachdrücklich auf, das Milieu der Montagsdemos zu untersuchen und dass dazu endlich Klartext geredet wird. Wir wollen antisemitische und antidemokratische Reden von Herrn Elsässer nicht mehr hören!
Wir müssen unsere Kräfte dazu verwenden, unsere Demokratie vor Putins Aggression zu schützen. Wir dürfen nicht mehr wegschauen. Wir dürfen ihn nicht als Verhandlungspartner hinnehmen. Denn über was kann man mit einem Massenmörder verhandeln?
Ich nenne euch nun ein Paar Namen und Orte. Jeder Name und jeder Ort steht für die Ermordung der Unschuldigen. Die Liste ist nicht vollständig und nicht chronologisch.
Litwinenko. Politkowskaja. Kursk. Beslan. Transnistrien. Georgien. Nord-Ost. Zucker in den Säcken. Smolensk. Tschetschenien. Khodorkowski. Pussy Riot. Krim. Donbas. MH17.
Ja, der Flug MH17. Fast dreihundert unschuldige Seelen, die wegen der Ambitionen des kleinen Diktators sterben mussten. Das ist der letzte Punkt meiner Liste.
Der letzte? Die von Putin angeführten Massenmörder behindern die Arbeit der Experten vor Ort. Die Terroristen plündern die Unglücksstelle, ohne irgendwie ein schlechtes Gewissen zu haben. Das ist eine Schande. Und das ist eine Schande hoch drei, dass die Welt noch immer nicht durchschaut hat, wer hinter dem Abschuss steht.
Ich möchte euch alle darum bitten, an die Opfer des Fluges MH17 in einer Schweigeminute zu gedenken.
…
Wir fordern Herrn Putin dazu auf, die Aggression gegen die Ukraine sofort zu beenden, seine militanten Verbrecher abzuziehen und die Krim sofort wieder an die Ukraine zurück zu geben. Wir sprechen zu unserer demokratischen Welt und zu unseren Politkern: bitte erklärt Herrn Putin die Notwendigkeit der Erfüllung dieser Forderungen.
Es muss uns bewusst sein, dass das Schicksal der EU gerade jetzt in der Ukraine und nicht in Brüssel entschieden wird.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.