von Pawel Kasarin, Radio RFE/RL, 17.11.2014
Die Geschichte des Donbas, der weder Produktion, noch soziale Unterstützung, noch eine Zukunft hat, ist das beste Mittel, zu illustrieren, warum Noworossija jetzt nur noch mit Gewalt, aber nicht durch Übereinstimmung gegründet werden kann.
Igor Strelkow behauptet, im Donbas herrsche eine humanitäre Katastrophe. Im gleichen Interview sagte er, dass er sich nicht schuldig fühle, denn „ich habe meine Pflicht erfüllt, so, wie ich sie verstand“. Es scheint, dass seine Pflicht war, in eine friedliche Gegend zu kommen, Städte zu okkupieren, den Menschen eine Wiederholung dessen zu versprechen, was auf der Krim abgelaufen war, einen totalen Krieg zu beginnen und nach Moskau abzuhauen, als die Situation auf dem Tiefpunkt war.
Dies muss man im Licht der Nachrichten betrachten, dass die Ukraine sich geweigert hat, Sozialhilfe für die Leute zu zahlen, die in einem Gebiet leben, das nun nicht mehr unter der Kontrolle Kyiws ist: Die Anführer der „DVR“ und „LVR“ hatten sich lange genug empört und wollen nun, dass man ihre Schulden bezahlt. Doch eins geht nur. „DVR“ und die Pension wird von Kyiw bezahlt – das geht nicht zusammen.
Im gleichen Interview erzählt Igor Strelkow, wie er von der Krim in den Donbas kam, wie er ukrainische Städte unter seine Kontrolle brachte, wie er Schritt für Schritt den Konflikt im Osten anheizte. Die öffentlich zelebrierte Selbstkasteiung dieses Mannes, der in die eigene Grube gefallen ist, ist deswegen so bemerkenswert, weil der frühere militärische Führer der „DVR“ offen zugibt, dass die Ukraine den Donbas nicht angegriffen hat, sondern sich gegen Leute wie ihn verteidigt hat. Und dass, wären er und seine Kumpane aus Russland nicht gewesen, die Bürger der Region den Krieg nur aus dem Fernsehen kennen würden.
Ich hätte gerne, dass die Leute auf der Krim dieses Interview lesen. Die gleichen, die fortlaufend in den sozialen Medien posten, dass die „Russische Welt“ im in Einzelteilen okkupierten Donbas unvermeidlich siegreich sein müsse. Dieselben, die den „Helden von Novorossija“ applaudierten und vorhersagten, dass die Region ihre staatliche Zugehörigkeit schnell ändern werde. Verstehen sie mittlerweile, dass der Donbas keine Zukunft hat und dass die einzige Chance der Region darin lag, ein Teil der Ukraine zu bleiben?
Ich erinnere mich, wie mein Kollege auf der Krim vor dem Referendum im März schrieb, die Geschichte der Krim sei einem Märchen ähnlich, in dem die Hauptfigur aus Liebe einen Millionär heiratet. Ihre Gefühle waren nachvollziehbar. All das bekam Russland ohne große Anstrengung. Denn der Bewohner des Kreml wachte auf derjenigen Seite des Bettes auf, die ihm im gegebenen Augenblick zusagte.
Und genau darum geht es: Krim und Donbas sind zwei unterschiedliche Finale derselben Geschichte: der der Dezentralisierung: Die der Halbinsel hatte ein glückliches Ende: Alles passierte schnell, mit relativ wenig Blut, und die Region versucht, sich an ihre Rolle als Potemkinsches Dorf der Marine zu gewöhnen. Der Donbas ist das exakte Gegenteil: Ein langer und verbissener Krieg gegen die ukrainische Armee, verwüstete Industrie und ein vollständiger Mangel an Zukunftsaussichten und Geld von beiden, sowohl der Ukraine als auch Russland.
Russland braucht Noworossija nicht; es braucht bloß eine Schlinge um Kyiws Hals, um dessen Drang nach Westen zu stoppen. Moskau will sich keine sozialen Schwierigkeiten in Gestalt unrentabler Industrien und einer paternalistischen Gesellschaft ans Bein binden. Die Krimer, die Donbas ermutigt hatten, sind wie Schuljungen, die erfolgreich aus dem Fenster gesprungen sind. Die, die ihrem Beispiel gefolgt sind, hatten weniger Glück und brachen sich das Kreuz.
Doch die entscheidende Schlussfolgerung der ganzen Geschichte ist, dass der Donbas die Gelegenheit für Noworossija beendet hat, um neue Unterstützer zu gewinnen. Sie mögen sich wünschen, die Krim zu sein, auf die Soldaten aus einem anderen Land kamen und taten, was sie tun mussten. Doch sie möchten eben nicht Donbas sein, wo selbst die Wahlen von Russland nur „respektiert, aber nicht anerkannt“ wurden. Charkiw und Saporischschja, Cherson und Odesa haben jetzt ein klares Bild davon, welche Zukunft jede ukrainische Region erwartet, wo Igor Strelkow vorbeikommt.
Einige nennen das: Den Illusionen den Abschiedskuss geben.
Autor: Pawel Kasarin
Quelle: Radio REF/RL, 17.11.2014 (ukrainisch), Euromaidan Press (englisch)
Übersetzung: Euromaidan Press auf Deutsch
Titelbild: Eines der Bilder, die ihrem Schöpfer, dem „Banksy von Donezk“ Haft und Folter einbrachten.