Ukrainische Organisationen in Spanien und die ukrainische Botschaft in Madrid wehren sich gegen eine Reihe von anti-ukrainischen Veranstaltungen an spanischen Universitäten, für die sie in den spanischen Linksparteien und der aktiven Propaganda Russlands in den EU-Ländern die Verursacher sehen.
Die größte spanische Zeitung El País schrieb, die Ukraine halte Ringvorlesungen an der renommierten Madrider Complutense-Universität für “russische Propaganda” und der ukrainische Botschafter habe den Dekan aufgefordert, die Veranstaltung aufgrund ihrer “offensichtlich anti-ukrainischen Natur” abzusagen.
Anfang dieses Monats fand eine Reihe von Vorträgen, Ausstellungen, Filmvorführungen und Podiumsdiskussionen an der Complutense-Universität statt, bei denen das “faschistische Regime in der Ukraine” verurteilt und der “Kyiwer Junta” die Schuld für die tragischen Ereignisse in Odesa am 2. Mai gegeben wurde. Anti-ukrainische Konferenzen gab es außerdem an der Universität von Saragossa am 17. September und am 2. Oktober an der Universität von Granada. Kürzlich wurde eine Gedenktafel für die Himmelshundertschaft [die Todesopfer der Euromaidan-Protestaktionen] in der Nähe von Madrid zerstört.
“Ich möchte betonen, dass die Vorstellung, dass ‘der Faschismus in der Ukraine im Wachsen begriffen ist’ eine absolute Verzerrung der Realität darstellt, die von Russland aus ideologischen Gründen und als Schlüsselelement im ‘hybriden Krieg’ gegen mein Volk und Land geschürt wird,” schrieb der ukrainische Botschafter Serhyj Pohorelzew in El País am 10. Oktober.
“Die Moskauer Informationspolitik zielt darauf ab, Hass, internationalen Antagonismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz zu verbreiten. Ziel des Kreml ist es, die bedeutenden Leistungen der ukrainischen Nation auf dem Weg zur demokratischen Entwicklung des Landes zu diskreditieren und auf diese Weise ihre Aktionen bei der abscheulichen Annexion der Krim zu rechtfertigen … In Wirklichkeit exportiert Russland das Konzept des Neonazismus in den Osten Ukraine, wo Vertreter und Unterstützer der Neonazis und russische nazistische Organisationen als einflussreiche Teilnehmer an der Eskalation des Konflikts im Donbas aktiv sind,” fügte Pohorelzew hinzu.
Der Dekan der Madrider Universität, José Carrillo Menéndez, sagte in Reaktion darauf, die Ringvorlesungen würden weiterhin stattfinden: “Alle Initiativen werden akzeptiert wie geplant.” Die Situation wird durch die Autonomie der spanischen Universitäten noch komplexer. Bemerkenswert ist auch, dass die Teilnahme an Konferenzen und Podiumsdiskussionen an spanischen Universitäten nicht immer freiwillig ist, so dass die Schüler gezwungen sind, zu solchen Veranstaltungen zu gehen.
“Spanien hat auch Elemente des Donbas”
Der Vorsitzende der ukrainischen patriotischen Organisation Volia in Spanien, Iwan Wowk, sagte zu Radio Swoboda, dass es immer noch stark pro-kommunistische Ideen in Spanien gebe und dass der Dekan der Complutense-Universität der Sohn des früheren Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Santiago Carrillo sei, der einst an der Spitze der derzeit verboten Kommunistische Partei stand “und eine Menge Dinge zu verantworten hat”, so Wowk.
“Auch wenn der Dekan diese Veranstaltungen nicht initiiert hat, sind sie nicht ohne sein Wissen und seine Ermutigung geschehen. Es gibt eine wachsende anti-ukrainische Bewegung unter den jungen Menschen an spanischen Universitäten, aber diese Bewegung ist durch Moskau geschürt. Diese pro-bolschewistischen Elemente in Spanien richten sich auch gegen den Staat an sich, da sie sich gegen die Monarchie und die verfassungsmäßige Ordnung in Spanien wenden. Ich habe Angst vor einigen Elementen des Donbas, die in Spanien aufkommen”, fügte Wowk hinzu.
Ihm zufolge sind die Jugendlichen in Spanien im Geiste des Antifaschismus erzogen, “und diesen jungen Leuten wird ständig gesagt, dass im Donbas nicht Russland kämpfe sondern ‘Antifaschisten’ gegen die ‘Kyiwer Junta.’ Ich befürchte, die Ukraine wird Spanien verlieren, da die Mehrheit der Jugendlichen hier anarchistisch und links eingestellt ist. Und das Mitgefühl der jungen Spanier für den Maidan ist schon vergessen,” sagt Wowk.
Spaniens Geschichte hat Spuren in der Ukraine
Spanien wurde zwischen 1938 und 1973 von General Francisco Franco “mit eiserner Faust” regiert. Spanien hat auch einen blutigen Bürgerkrieg überlebt, dessen politische und psychologische Folgen und Spaltungen immer noch spürbar sind.
“Während in unserer Geschichte die Repression meistens von linksgerichteten Kräften ausging, kam sie in Spanien von rechts. Dies war sowohl während der Monarchie als auch der Franco-Diktatur so, und deswegen wird hier ‘links’ mit der Demokratie assoziiert. Und darüber hinaus gibt es während einer [Wirtschafts-] Krise eine Tendenz zu Extremen. Im Falle Spaniens, mit seiner historischen Sensibilität für Rechtsradikalismus, sind diese Extreme meist linksorientiert, mit ihrer charakteristischen Euro-Skepsis und “anti-imperialistischen” Haltung gegenüber der modernen westlichen Welt. Und da kommt ihnen Putins Außenpolitik gerade recht,” sagte Andryj Jakubuw, Redakteur des in Spanien erscheinenden Newsletters Nadsegurska Ukrajina, in einem Interview mit Radio Swoboda.
Ukrainische Aktivist*innen sind auch besorgt über die Tatsache, dass die linksgerichtete Partei Podemos in Spanien immer beliebter wird. Bei den Wahlen zum Europaparlament gewann sie erstmals Sitze im EU-Parlament, und ihre Mitglieder stimmten gegen das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU. Die Partei hat gute Chancen, in den allgemeinen Wahlen 2015 ins spanische Parlament einzuziehen.
“Es gibt eine gewisse Ernüchterung mit den traditionellen Sozialisten, da die Mitte-Links- und Mitte-Rechts-Parteien sich in mancher Hinsicht ähnlich sind,” sagt Jakubuw.
Das spanische Volk unterstützt überwiegend die europäische Integration der Ukraine: Mit 62% Zustimmung ist dies die zweithöchste Zahl in der EU nach Polen, wo die Unterstützung bei 69% liegt. Dennoch meint Jakubuw, “die Ukraine könnte Europa in einigen Ländern verlieren.”