Foto: „In gute Hände zu vergeben: Panzer T-72“ (Kein Scherz – ein Werbebanner in Donezk. In dieser Stadt gibt es jetzt weniger Essen als Panzer) Foto: Facebook
Die Bevölkerung von Donezk fordert, endlich mit den Schikanen gegen Rentnerinnen und Rentner, die in der „DVR“, der sogenannten „Donezker Volksrepublik“ leben, aufzuhören.
Die Entfernung von Donezk bis zur nächsten ukrainischen Stadt Kurachowe, wo ukrainische Bürgerinnen und Bürger ihre Rente beantragen können, beträgt nur 40 Kilometer, doch diese 40 Kilometer zu überwinden, ist bei weitem nicht einfach. Auf diesem Abschnitt gibt es vier Straßensperren, die für viele aufgrund „Schwarzer Listen“ unüberwindbar sind, mithilfe derer die Separatisten die ukrainischen Patrioten aussieben. Was diejenigen betrifft, die bereits in den Fängen des örtlichen „NKWD“ gelandet sind, so können diese weder den Kontrollposten der „DVR“ noch den ukrainischen passieren, da die Terroristen gewöhnlich die Dokumente ihrer Gefangenen vernichten.
In Kurachowe aber wird von den Rentnern aus Donezk ein Nachweis über den Wohnsitz in Kurachowe gefordert mit zusätzlich zwei Bestätigungen von Nachbarn. Dann müssen noch einige bürokratische Schritte gemeistert werden.
Einige Flüchtlinge haben es während der Kämpfe aus den von Terroristen eingenommenen Orten zum Erholungszentrum von Kurachowe geschafft. Diesen Rentnern, so schien es, sollte logischerweise zuerst geholfen werden. Doch nichts dergleichen ist zu beobachten.
Eine Lehrerin der von DVR-Anhängern geschlossenen Schule Nr. 111 in Donezk, die anonym bleiben möchte, erzählte dem „Obosrewatel“ von ihrer Irrfahrt.
„Zuerst wurde ich zum Exekutivkomitee von Kurachowe gebracht. Dort stand ich 30 Minuten lang in der Schlange vor einem Büro und war dann im Eingangszimmer. Es stellte sich heraus, dass für Menschen, die in einem Erholungszentrum untergebracht waren, keine Rente vorgesehen ist. Sie wollten noch nicht einmal reden. Zum Glück lebt in Kurachowe eine Bekannte. Damit ich meine Rente bekam, musste ich einen Nachweis bringen, dass ich vorübergehend bei ihr wohne. Mit diesem Nachweis musste ich zum Rentenfonds gehen, dort war wieder eine Schlange. Dann musste ich eine Bestätigung hinzufügen, die zwei Zeugen unterscheiben mussten. Sie sollten bestätigen, dass ich unter der Adresse der Bekannten in Kurachowe wohnte. Anschließend hatte ich einen Termin bei dem Abgeordneten, der meinen Antrag unterschreiben sollte. Danach musste ich zur Oschadbank [staatliche Bank, vergleichbar einer Sparkasse]. Ich hatte eine Bankkarte dieser Bank aus Donezk, doch ich musste eine neue Karte in der Filiale in Kurachowe machen lassen. Dann musste ich drei Wochen lang warten. Die Beamten haben für den Kundenverkehr nur bis 12 Uhr geöffnet, deshalb ist es vollkommen unmöglich, alles an einem Tag zu erledigen. Und in den Schlangen vor mir standen alte Leute aus unterschiedlichen Städten, zum Beispiel aus Tores, die über 100 Hrywnja für die Reise ausgaben und mehrere Stunden unterwegs waren. Ich hatte das Gefühl, dass sie uns hassen. Die Bürger von Donezk werden wie Volksfeinde angesehen.“
Der Rentenfonds erklärt, dass auf den Territorien der „DVR“ und der „LNR“ („Luhansker Volksrepublik“) die Rentenfonds bereits geschlossen seien und dass die Rentner keine andere Möglichkeit hätten, als von der Bezirksfiliale ihrer Stadt wegzuziehen und sich auf dem von der Ukraine kontrollierten Territorium niederzulassen. Da im von Donezk aus nächsten Gebietszentrum Marinka gekämpft wird, befindet sich die nächste Filiale des Rentenfonds erst in Kurachowe.
[Es gibt noch] Ein ganz anderes Problem: Was machen die Schwächsten, diejenigen älteren Menschen, die eine Behinderung haben, alleine oder krank sind, denen die Post die Rente gebracht hat? Es scheint so, als seien sie dem qualvollen Tod in den eigenen vier Wänden geweiht, wenn nicht durch Granaten, dann durch den Hunger.
„Die Postfilialen sind geschlossen, dort hat meine Mutter ihre Rente bekommen und ich bei der Sberbank“, erzählte eine ehemalige Aktivistin der Partei „Batkiwschtschyna“ (Julia Timoschenkos Partei) aus Donezk dem „Obosrewatel“. „In der Bank sagten sie, dass ab September in Donezk keine Überweisungen mehr ankommen. Ich könnte, zum Beispiel, die Stadt verlassen, aber ich habe meine kranke Mutter, sie ist 93 Jahre alt, ich kann sie nicht mitnehmen. Aber den Winter überleben wir sicherlich nicht. Zu hören, wie meine Mutter nach Essen fragt, dafür fehlt die Kraft. Sie versteht es gar nicht, wenn ich ihr sage, dass bei uns Krieg herrscht. Sie fragt: „Wie? Greifen uns wieder die Deutschen an?“. Sie hat 50 Jahre lang gearbeitet, mein Vater war an der Front, Kriegsinvalide. Meine Mutter überlebte den Hunger im Zweiten Weltkrieg. Und nun bin ich in den Augen der „DVR“ eine „Faschistin“ und faktisch eine Gefangene in einem Konzentrationslager. Denn die Ukraine, für die ich kämpfte, hat sich von uns weggewandt. Wie ist es möglich, dass mitten in Europa im 21. Jahrhundert Menschen verhungern?“
Vor einer schwierigen moralischen Entscheidung stehen die Staatsbediensteten. Sie müssen entweder für die „DVR“ arbeiten, oder sich dem Hunger preisgeben.
Das Personal des Geburtshauses DRZOMD (ein Mutterschutzzentrum, das im Volksmund das Krankenhaus von Wischnewskij genannt wird) beklagt sich über fehlendes Geld. Die Mitarbeiter werden gezwungen, eine Erklärung zur Aufnahme in die „DVR“ zu schreiben, Lohn von der „Republik“ wird versprochen. Das Letzte, was die Menschen bekamen, waren Vorauszahlungen für den August. Donezk zu verlassen, ist für sie problematisch: Es gab eine Anordnung der „DVR“ darüber, dass Fachkräfte nicht gehen dürften. Denen, die kündigen wollen, wird gedroht, dass im Falle einer Kündigung ihre Wohnungen ins Eigentum der „Republik“ übergehen. Und wieder leiden die Patrioten am stärksten, die für ihr Recht, Ukrainer sein zu dürfen, praktisch alles hergaben.
Doch auch unpolitische Fachkräfte riskieren stündlich viel. Am 11. August fielen Granaten in den Kreissaal, daraufhin wurde die Frau, die für die Geburt bereits in diesem Saal war, in den Keller gebracht (Gott sei Dank überlebten alle!).
Trotzdem, so scherzen die Ärzte, kämpft man in der „DVR“ gegen die Korruption. In der Klinik nahm ein Arzt 300 Hrywnja für Geburten unter extremen Bedingungen. Als der Vater des Neugeborenen, ein Anhänger der „DVR“, dies hörte, zielte er mit einer Maschinenpistole auf den Arzt. Das Krankenhauspersonal konnte mit vereinten Kräften den Terroristen davon abhalten, auf den Arzt zu schießen.
Die Bevölkerung hat Angst, dass sie, selbst wenn sie für die „DVR“ oder „LNR“ anfängt zu arbeiten, niemals einen Lohn sehen wird. Maximal Lebensmittel. Den Künstlern des Donezker Dramaturgischen Theaters wurde beispielsweise schon angeboten, ab dem 1. Oktober die Arbeit wieder aufzunehmen und mit den Proben zu beginnen, anstelle von Lohn soll es Lebensmittel geben!
Den Lehrenden an der von Terroristen besetzten Donezker Nationalen Universität wurde gestern versprochen, nach Winnizja evakuiert zu werden. Bisher jedoch wurden nur Listen über den Empfang von Sozialhilfe von der „DVR“ zusammengestellt (anstelle von Lohn). Der neue Rektor Sergij Baryschnikow, der sowohl Minister als auch Terrorist ist, versprach dem niedrigen Universitätspersonal 2000 Hrywnja, den Lehrenden 3000 Hrywnja und den Dekanen 4000 Hrywnja.
Das Gleiche gilt für Notärzte und Lehrer. Außerhalb der kleinen Heimat konnten nur sehr wenige Fachkräfte eine Arbeit aufnehmen. Die ganze Hoffnung der Bevölkerung liegt auf der humanitären Hilfe. Und wenn der Hunger die Menschen regiert, so erklären die Menschen vor Ort, ist es nicht mehr wichtig, ob Hilfe von Achmetow oder von Putin kommt. Das Wichtigste ist: Diese gibt es kostenlos, wenn auch nur alle zehn Tage.
„Die Bewohner die auf dem Territorium der ATO leben, müssen sich für Rentenauszahlungen und Sozialhilfe unbedingt an eine Niederlassung des Rentenfonds bzw. des Amts für Soziale Sicherheit wenden, das sich auf von der Ukraine kontrolliertem Territorium befindet.“, so erklärt es die stellvertretende Vorsitzende der Donezker staatlichen Regionalverwaltung Jelena Petrjajewa.
Laut dem Stellvertretenden Vorsitzenden der Region wird in den Niederlassungen des Rentenfonds in den westlichen und nördlichen Teilen der Region auf Hochtouren gearbeitet. Die offizielle Statistik besagt, dass ungefähr 150.000 Rentnerinnen und Rentner für Juli ihre Rente nicht erhielten, für August sind es sogar 500.000.
Jelena Petrjajewa bestätigt, dass die Renten und Löhne für Staatsangestellte in der Zone der ATO, laut Informationen von den zentralen Staatsorganen, nicht ausgezahlt werden. Die Beamtin betont, dass dieses Vorgehen von Kyiw zu einer humanitären Katastrophe führen werde.