Der Krimtataren-Führer Mustafa Dschemiljew hat keine Hoffnung auf einen Kompromiss mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Freilassung seines Sohns Chajser, der in einem russischen Untersuchungsgefängnis gehalten wird. Er sagte zu Ukrinform, dass es sich dabei um eine offene Erpressung handele, da Russland überhaupt kein Recht habe, ihn in Haft zu halten.
Wie berichtet wurde Chajser Dschemiljew aus einer Haftanstalt auf der Krim nach Russland in die Region Krasnodar verlegt. Dies ist in eklatanter Verstoß gegen eine Anordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der am 10. Juli unter Anwendung von Artikel 39 die Freilassung von Chajser Dschemiljew aus der Haft verfügt hat. Statt dessen wurde der junge Mann nach Russland verlegt, wo er weder von seiner Familie noch von seinen Anwälten besucht werden kann.
Wie berichtet bekam Mustafa Dschemiljew im November 2013 ein Angebot von Menschen in der Umgebung des damaligen Präsidenten Wiktor Janukowytsch, sein Sohn könne am nächsten Tag freigelassen werden, wenn er die (oppositionelle) Batkiwschtschyna-Partei verlassen und der regierenden Partei der Regionen beitreten würde. Er konnte diese Bedingungen damals nicht akzeptieren, und innerhalb von ein paar Tagen wurden die Anklagepunkte gegen Chajser noch verschärft.
Im Mai 2013 hatte Chajser Dschemiljew Fewsi Edemow, der als Leibwächter bei der Familie angestellt war, mit einem Gewehrschuss getötet. Obwohl alle Beweise darauf hindeuten, dass der junge Mann wegen Totschlags angeklagt werden müsste, und auch die Witwe des Toten bestätigt, dass ihr Mann und Chajser ausgezeichnete Beziehungen zueinander hatten, erhoben die Behörden Anklage wegen Mordes.
Im Fall gegen Chajser Dschemiljew ermitteln jetzt sowohl die Ermittlungsbehörde der Krim und die Kyiwer Staatsanwaltschaft. Der Fall wurde letzterer auf der Grundlage des ukrainischen Gesetzes über das besetzte Gebiet übertragen. Einem Antrag auf Anerkennung des Tatbestands als Totschlag durch Unachtsamkeit wurde zugestimmt. Zwei Kyiwer Gerichte haben nun entschieden, dass Chajser aus der Haft entlassen werden sollte.
Nachdem diese Gerichtsentscheidungen ignoriert wurden, wandte sich Dschemiljew an den Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der am 10. Juli in Anwendung des Artikels 39 die Freilassung von Chajser aus der Haft anordnete.
Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie Anweisungen gemäß Artikel 39 sind für alle Unterzeichnerstaaten der Europäischen Konvention verbindlich, darunter auch Russland. Chajser Dschemiljew ist immer noch nicht freigelassen worden.
Statt jedoch die Vorgaben dieser Anweisung zu befolgen, haben die [russischen] Behörden den jungen ukrainischen Staatsangehörigen nach Russland verlegt. Unabhängig davon ob es sich um Erpressung oder eine Form von Rache dafür handelt, dass Mustafa Dschemiljew sich konsequent geweigert hat, über die Repression unter der russischen Besatzung zu schweigen, ist das Vorgehen ohne jede Rechtsgrundlage erstaunlich. Chajser Dschemiljew ist ein ukrainischer Staatsbürger und wurde nicht wegen einer Straftat verurteilt. Selbst wenn es eine Rechtsgrundlage für eine Inhaftierung auf der Krim gäbe, kann es keine dafür geben, ihn nach Russland zu verbringen und dort effektiv in Haft Kontakt zur Außenwelt zu halten.