Es lässt sich kaum besseres Geschenk für die russische Propaganda vorstellen als ein ukrainisches Freiwilligen-Bataillon aus Männern mit ausgeprägten Neonazi-Ansichten und einer Vorliebe für die Wolfsangel und andere solche Symbole. Bald könnte noch mehr Futter für die russische Propaganda-Maschine kommen, wenn einer der Kommandeure des Bataillons Asow bei den anstehenden Parlamentswahlen kandidiert..
Geben Sie “Neo-Nazi” und “Ukraine” auf Google ein, und Sie werden eine Menge russische Propaganda und auch eine Reihe von Artikeln über das Bataillon Asow finden. Es ist aber nach wie vor besorgniserregend wenig zu finden über die gut recherchierten unmittelbaren Verbindungen zwischen vielen Führern der vom Kreml unterstützten Milizen im Osten der Ukraine und den russischen faschistischen oder neonazistischen Parteien wie Dugins Eurasische Jugendunion und der nationalistischen russischen Partei Einiges Russland. Und Mitglieder dieser Parteien sind auch in großer Zahl unter den Kämpfern bei diesen Militanten.
Das ist auch einer der Gründe, warum viele Menschen, inklusive der Autorin, sich über die Neonazi-Ansichten der Asow-Mitglieder Andryj Biletzkij oder Ihor Mosyjtschuk empören, so wenig öffentlich über ihre Besorgnis sagen wollen. Da gab es aber natürlich noch einen weiteren Grund. Diese Bataillone entstanden zu einem Zeitpunkt, als die marode Armee der Ukraine sich noch abmühte gegen die von Russland ausgebildeten und stark bewaffneten Militanten, die in dessen schmutzigem Krieg kämpfen. Die Freiwilligen setzten ihr Leben aufs Spiel, und viele wurden bei der Verteidigung ihres Landes getötet. Was soll man da sagen? Wir hassen eure Ansichten, geht nach Hause? Wo, nebenbei bemerkt, ziehen wir die Linie der “akzeptablen Ansichten”?
Die gleichen Fragen kamen bereits während des EuroMaidan auf, als die russischen und westlichen Medien endlos die möglichen Gefahren des extrem nationalistischen Rechten Sektors sowie der weit rechts stehenden Partei Swoboda (Freiheit) durchhechelten. Die russische Propaganda dämonisiert weiterhin beide Parteien, obwohl deren beide Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen zusammen nicht einmal 2% der Stimmen bekamen.
Die Ukraine steht vor der schwersten Bedrohung für ihre Souveränität und Unabhängigkeit, und sie steht alleine da, trotz der offen erkennbaren Gefahr für alle Nachbarstaaten, wenn sie der Aggression Russlands nicht entgegentreten.
Es ist unter diesen Umständen unvermeidlich, dass Männer oder Frauen, die ihr Leben für die Verteidigung ihres Landes an der Front eingesetzt haben, von einem großen Teil der Bevölkerung als Helden betrachtet werden. Ihre Ansichten erhalten dadurch als Folge keine zunehmende Unterstützung, aber es wäre naiv, die Zahl der Menschen zu unterschätzen, deren Stimme durch die Rolle einer Person im Krieg und nicht durch ihr politisches Programm bestimmt werden.
Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass erfahrene Politiker das nicht für eine Sekunde vergessen werden. Diese Gefahr wurde Anfang September von Wjatscheslaw Lichatschew hervorgehoben, der seit über 10 Jahren Fremdenfeindlichkeit, die extreme Rechte und Antisemitismus überwacht.
Er schreibt, ein spezifisches Merkmal der heutigen Zeit sei, dass sich “niemand für die politischen Programme der Parteien interessiert, die an dem Wahlkampf teilzunehmen beabsichtigen.” Viele Ukrainer, sagt er, sehen die politische Führung als unentschlossen an, wenn nicht sogar des Verrats schuldig, und sie sind müde von all der Angst durch den Militäreinsatz. Sie sind “bereit, jede Partei zu unterstützen, die das Bild der unrasierten tapferen Männer aus den Schützengräben in ihren Wahlkampf benutzt.”
Er verweist auf die offenkundigen Versuche des Anführers der Radikalen Partei Oleh Ljaschko, der aus dieser Situation Nutzen zu ziehen versucht. Ob Ljaschkos Beitrag zu den Einsätzen der Freiwilligen-Bataillone so groß ist, wie er impliziert, kann in Frage gestellt werden. Aber es ist klar, schreibt Lichatschew, dass sein Wahlkampf auf sorgfältig ausgewählten Fotos von sich selbst inmitten von bewaffneten Soldaten der Freiwilligen-Bataillone basieren wird.
Ab dem 10. September gibt es aber noch eine weitere Gefahr, und die ist ernst. An diesem Mittwoch fand ein Kongress einer neuen “Volksfront” statt, gegründet vom derzeitigen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk und dem Parlamentspräsidenten Oleksandr Turtschynow. Es ist bekannt, dass zu den Parlamentskandidaten der Volksfront die Journalistin und Bürgeraktivistin Tetjana Tschornowol und sowie Dmytrij Tymtschuk gehören, der von den ersten Tagen an den hybriden Krieg Russlands gegen die Ukraine chronologisch aufgezeichnet hat.
Auch Mitglieder eines “Militärrates” wurden gewählt, darunter auch Andryj Biletzkij, Kommandeur des Bataillons Asow.
Es ist noch nicht klar, ob Biletzkij überhaupt für das Parlament im Oktober kandidieren kann. Aber einen Mann aufzustellen, der in Friedenszeiten der Anführer der Sozial-nationalistischen Versammlung [SNA] und “Patriot der Ukraine” war (und bleibt), ist völlig unangemessen. Laut Anton Schechowzow, einem Experten für rechtsradikale Bewegungen, handelt es sich bei der “SNA um eine Neo-Nazi-Bewegung, die selbst für den rechten Sektor zu extrem gewesen ist. Nach seinen offiziellen Dokumenten ist ‘ihr Nationalismus rassisch, sozial, Großmacht- imperialistisch, anti-systemisch (anti-demokratisch und anti-kapitalistisch), autark, militant und kompromisslos’. Ihre Ideologie ‘baut auf maximalistische Einstellungen, nationalen und rassischen Egoismus’, während sie gleichzeitig die ukrainische Nation als Teil der ‘weißen Rasse’ verherrlicht”.
Darüber könnte noch mehr gesagt werden, aber das bereits Geschilderte ist sicherlich ausreichend, um zu verstehen, warum Biletzkijs Engagement in der Volksfront, und erst recht seine Wahl in die Werchowna Rada, fatal für die Ukraine wäre und einen Schlag ins Gesicht für diejenigen bedeutet, die sich durch die langen Monate des EuroMaidan hinweg für das Recht der Ukraine auf eine europäische Integration eingesetzt haben.
Diejenigen, die gekämpft haben, und diejenigen, die bei der Verteidigung ihres Landes gestorben sind, verdienen unsere Dankbarkeit. Eine politische Unterstützung muss man sich jedoch auf andere Weise verdienen. Die Führer aller politischen Parteien müssten populistische Bewegungen verschmähen und sich von den Mitgliedern der Freiwilligen-Bataillone distanzieren, deren unbestrittene Tapferkeit und Engagement aber nicht Ansichten rechtfertigen können, die keinen Platz in einem demokratischen europäischen Land haben, für dessen Aufbau die Ukrainer ihren Willen demonstriert haben.