Jelena Wassiljewa, eine russische Bürgerrechtlerin, die die Facebookgruppe “Fracht 200 aus der Ukraine nach Russland” gründete, berichtete über die jüngsten Statistiken der Verluste, die die russische Armee im Kampf in der Ukraine erlitten hat. Ein Korrespondent von RFE/RL sprach mit Jelena Wassiljewa, die in Murmansk lebt [A.d.Ü.: Fracht 200 ist der russische militärische Code für einen Gefallenentransport]:
Die Facebookruppe Fracht 200 aus der Ukraine nach Russland wurde am 21. August gegründet. Bis 2. September traten 13.500 Mitglieder bei.
Diese Gruppe sammelt Information über die im Donbas getöteten oder vermissten russischen Soldaten.
Jelena Wassiljewa analysiert die Nachrichten in der Gruppe, ebenso Medienberichte und Berichte Freiwilliger. Von diesen Informationen ausgehend, schließt sie auf die Zahl der getöteten russischen Soldaten ab dem 25. August nach dem Vordringen regulärer russischer Truppen auf ukrainisches Territorium. „Wenn man das zusammenfasst, was die Menschen berichten, dann sieht es so aus, als ob es allein im August über 2000 Gefallene gewesen wären“, meinte Wassiljewa.
Sie meinte, sie könne nicht sagen, wie viele russische Bürger während des gesamten Konflikts in der Ostukraine, der im April begann, gestorben seien.
„Es ist absolut unmöglich festzustellen, wieviele „Rebellen“ ums Leben gekommen seien – diejenigen, die sich ab Mai gemeldet und zu kämpfen begonnen hatten (Rekruten, Söldner – man nenne sie, wie man will). Es ist praktisch unmöglich etwas über ihr Schicksal auszusagen“, sagte Wassiljewa.
Sie glaubt, dass man unter Einbeziehung der ukrainischen Berichte sagen kann, dass über 1000 russische Söldner in der Ukraine gestorben seien, sogar schon vor der direkten Invasion, die Ende August stattfand.
„Das war vor der Invasion. Am Tag der Invasion, am ersten Tag, starben ganz sicher 700 Russen, In den nächsten Tagen werden wir 1.500 zählen“, sagt Wassiljewa.
Die ersten Berichte über die offene russische Invasion erschienen am 25. August.
Laut Wassiljewas Informationen werden in der Zwischenzeit die Familien der getöteten russischen Soldaten eingeschüchtert, nicht über das Schicksal zu sprechen, das ihre Lieben erlitten haben.
„Es gibt eine Menge Informationen, dass sie direkt eingeschüchtert werden: „Wir werden sie im Wald verscharren“ sei ihnen gesagt worden merkt sie an. [A.d.Ü: „Im Wald“ mutet an, wie die Ankündigung, den Angehörigen ein bezeichnetes Grab, also einen Ort zum Trauern zu verweigern. „Im Wald“ liegen in der ehemaligen Sowjetunion, besonders in den westlichen „Bloodlands“ die Opfer der Stalin’schen Massenmorde.]
Dieser Druck zeitigt Resultate. Zum Beispiel verlor eine Mutter, die sich an Wassiljewa wandte, vor ungefähr zwei Monaten jeden Kontakt zu ihrem Sohn. Ihr Sohn ist Fallschirmjäger, und nach den Aussagen seiner Eltern befindet er sich höchstwahrscheinlich im Krieg in der Ukraine. Gestern jedoch, nachdem sie einen anonymen Anruf eines Mannes erhielt, beschloss die Mutter, nicht nach dem Sohn zu suchen.
„Sie bat mich unter Tränen, die Information zu entfernen: Wir werden nicht nach ihm suchen, wir werden warten“, sagt Wassiljewa.
Es gibt auch Informationen, dass Unbekannte Geld von den Eltern der vermissten russischen Soldaten erpressen.
„Man sagt ihnen, wenn Sie schweigen, wird Ihr Sohn in irgendeiner Form zurückkehren. [A.d.Ü.: um eine Entschädigung zu bekommen, müssen die Hinterbliebenen die Leiche vorweisen können.] Wenn Sie die Wahrheit über ihn schneller herausfinden wollen, dann zahlen Sie Geld. Sie sprachen von Summen zwischen 5.000 und 10.000 Dollar“, berichtet Wassiljewa.
Die Mütter schweigen jedoch nicht ewig. Vasilyeva sprach über die Situation in Uljanowsk, die eintrat, nachdem die Fracht200 dort ankam.
„Die Leute schickten umgehend eine Beschwerde an das Verteidigungsministerium, doch sie wurden ignoriert. Daher sammeln sie um den 11. und 12. September die Familien derjenigen, die im Krieg sind, und wollen nach Moskau gehen, auf den Roten Platz, um dort zu verlangen, dass der Oberbefehlshaber herauskommen und ihnen berichten solle. Diese Leute könnten andere Mütter aufwecken“, bemerkte Jelena Wassiljewa.
Sie sagt, dass auch sie zahllose Male bedroht worden sei: „Es gibt Druck. Freundliche Quellen mahnen mich zur Vorsicht, da das Thema Fracht 200 totgeschwiegen werden soll, und da wir fast zu Feinden werden, weil wir darüber reden.“
Wassiljeva merkt an, dass sie in ständigem Kontakt mit dem Leiter des Ukrainschen Zentrums für militärsche und politische Aufklärung, Dmytro Tymtschuk, sei.
Laut seinem jüngsten Bericht erhielt die Gemeindeverwaltung nahe der Stadt Krasnij Lutsch in der Oblast Luhansk den Befehl, Grundstücke für die Begräbnisse gefallener russischer Soldaten zur Verfügung zu stellen.
Es gibt auch Berichte in den sozialen Netzwerken, dass es mobile Krematorien im Kampfgebiet gäbe – Wassiljewa betont jedoch, dass diese Informationen nicht verifiziert worden seien.
Moskau leugnet offiziell die Präsenz seiner Armee in der Ukraine und behauptet, es gäbe keinerlei Beweise dafür.
Quelle: Euromaidan Press
Übersetzung aus dem Englischen von Euromaidan Press auf Deutsch
Originalquelle: RFE/RL