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Nowaja Gazeta: PR-Gespenster des Krieges

Nowaja Gazeta: PR-Gespenster des Krieges

Quelle: Nowaja Gazeta (Russland), 26.5.2014

Ukraine. Hier wird ein Krieg geführt, wie ihn die Welt bisher noch nicht gesehen hat. An ihm arbeiten russische PR-Agenturen und “Polittechnologen”. Aber die Menschen sterben… real.

Pjetr Saruchanow (Nowaja Gazieta)

Dieser Krieg wird ohne Zweifel in die Lehrbücher eingehen: Er wird im Südosten der Ukraine von Moskauer PR-Agenturen, kommerziellen Unternehmen, ihren Mitarbeitern und deren Freunden geführt. Sogar der ausgefeilteste Verstand westlicher Gurus in Sachen Polit-Consulting hat so etwas noch nicht geschafft. Diesen Krieg neuen Typs hat die „Nowaja Gazeta“ anhand verschiedener Quellen untersucht – anhand von Dokumenten, welche die Redaktion erhielt, sowie von Augenzeugenberichten und Berichten unserer Korrespondenten. In dieser Ausgabe finden Sie:

  • Materialien aus den Ermittlungsakten eines Kriminalfalls, der mit Alexander Borodaj verbunden ist
  • Emails und “Lebenslauf” von Igor Girkin (alias Strelkov) und seinen Mitstreitern
  • Listen mit Ordensverleihungen durch das Präsidialamt nach dem Anschluss der Krim
  • Email-Kommunikation von Mitarbeitern mehrerer Firmen, die als ideologische Subunternehmer am „ukrainischen Projekt“ mitarbeiten, insbesondere der Firmen „Geheimer Berater“, „Agentur für Internet-Untersuchungen“ (AII) und „Art-Media“

Wir haben keine Zweifel, dass die Gelder für die PR-Begleitung unserer Ukraine-Politik noch an viel mehr Agenturen und Einzelpersonen flossen. Aber heute erzählen wir nur von denen, die direkt auf dem Territorium des „Bruderlandes“ aktiv waren.

Donetsker Region, 24.5.2014 (Foto: Ewgenij Feldman)

Maidan. Kiew. Charkow. November-Januar

Die ersten ernsthaften Gespräche und “Maßnahmen” russischer Propagandisten fanden im Spätherbst 2013 statt. Schon im November, als die Ereignisse auf dem Kiewer Maidan in Handgreiflichkeiten übergingen, war in Charkow die “Novostnoje Agentstvo Charkov” (Nachrichtenagentur Charkov) (NACh) aktiv, die, wie man annehmen kann mit dem Geld des “Kreml-Chefkochs“, dem Eigentümer des Unternehmens “Concord” Evgenij Prigoschin, gegründet wurde. Deren Gründung fand unmittelbar durch Mitarbeiter der vermutlich Prigoschin nahestehenden “Agentur für Internetuntersuchungen” und der Firma “ArtMedia” von Dzalb, Sugrobov und Pitsur statt.

Steckbrief. Evgeny Viktorovich Prigoschin wurde am 1. Juni 1961 in Leningrad geboren. In den 90ern wurde er als Geschäftsmann tätig. Sein erstes Projekt war ein Schnellimbiss auf dem “Apraksin Dvor”-Markt. Ende der 90er gehörte er zu den größten Gastronomen Russlands, indem er in St. Petersburg und Moskau eine Reihe Edel-Etablissements (“Staraya Tamoschnya”, NewIsland, RiverPalace etc.) eröffnete. Im Jahre 1995 gründete er die Holding “Concord”, welche sich auf Immobilieninvestment, Entwicklung, Lebensmittelproduktion und Catering spezialisierte.

Kennt den russischen Präsidenten persönlich. Bewirtschaftete ihn und dessen Gäste. Seit 2000 organisiert die Holding regelmäßig Bankette für Russlands Top-Management, Empfänge für hochrangige Delegationen und ausländische Präsidenten auf Staatsbesuch, inklusive “G8” und “G20”.

Seit 2010 tätig als Lieferant für Fertiggerichte für russische Schulen, darunter in Moskau. Die Holding kooperiert mit der OAO “Voentorg”, welche die “Concord” mit Catering-Aufträgen für die Verpflegung des Verteidigungsministeriums versorgt.

Versucht dem Kreml Gefälligkeiten nicht nur in Form von Lebensmitteln, sondern auch in Form von politischen Diensten zu erweisen. Der Sicherheitsdienst der “Concord” und die Mitarbeiter von Prigoschin aus der PR-Abteilung nahmen an der Produktion von inszenierten Videoaufnahmen für den Propagandafilm “Anatomie des Protestes” teil. Sie waren verwickelt in Provokationen gegen russische Massenmedien – unter anderem “Novaya Gazeta”, “Forbes”, “MK”, “Argumenty i Fakty”, “Kommersant”, schleusten ihre Agenten in die Redaktionen ein, organisierten Überwachungen, unter anderem von Mitarbeitern von Google in Russland. Organisierten Provokationen im Internet gegen Obama und das Umfeld von Dmitrij Medwedew. Während diese politischen Dienstleistungen eher dilettantisch waren, erscheint im Vergleich dazu das ukrainische Projekt schon erfolgreicher.

Für Dezember hat der “Investor” schätzungsweise 300.000 Rubel zur Verfügung gestellt – für 17 Mitarbeiter und 9 Vertragsautoren. Aus den Rechenschaftsberichten folgt, dass die Hauptaufgabe der Agentur darin besteht, eine Volksbewegung gegen den Maidan in den ukrainischen Netzwerken zu imitieren, so wie es schon die von der „Agentur für Internet-Forschungen“ (AII) gegen die russische Opposition engagierten Dutzende von Trollen im AII-Zentrum von Olgino bei St. Petersburg getan haben. (siehe “Nowaja Gaseta», № 100 von 9.9.2013 – “Wo leben die Trolle und wer füttert sie“)

Am 16.-17. Dezember fand in Kiew, in der Nähe der Lagerfeuer des Euromaidan eine Diskussion statt: “Die Perspektive der wirtschaftlichen Entwicklung der Ukraine im Kontext der Integrationsprozesse”. Organisiert und durchgeführt wurde sie von eben jener NACh, die im Bericht als “nichtpolitisch” bezeichnet wurde. Die Krönung war der der im Auftrag der Agentur von Dmitrij Polonskij verfasste Bericht über die Integration der Ukraine zu Russland im Geiste der eurasischen Ideen Dugins: Die Unterstützung der russischen Lobby in der Ukraine, Aktivisierung der Propaganda und die Vergrößerung der gemeinsamen wirtschaftlichen Projekte. Laut Polonskij kann man mit Propaganda fast alles lösen. Die Rechnung für St. Petersburg betrug 154.839 Rubel.

Ebenfalls im November 2013 wurde mithilfe der PR-Leute Prigoschins in Simferopol (dort gibt es eine Niederlassung der NACh an der Dekabristen-Straße) ein “PROJEKT zur Organisation von Aktivität zur Verstärkung des Einflusses der Russischen Föderation auf das Territorium der autonomen Republik Krim, dem Süd-Osten der Ukraine (Neurussland) sowie der Ukraine insgesamt” ins Leben gerufen. Das Wort “Novorossiya” (Neurussland), wie es heute verwendet wird, entstand offenbar zu diesem Zeitpunkt. Das Endergebnis der “Tätigkeit” sollte “mindestens ein Sieg bei den Gemeinderatswahlen in der Autonomen Republik Krim und dem Süd-Osten der Ukraine (Neurussland) sein, sowie aktive Teilnahme und ein erheblicher Einfluss auf die Situation im Kampf um die Präsidentschaft, die Bildung einer großen Fraktion im Obersten Rat der Ukraine sowie die Ernennung ihrer Anhänger in Schlüsselpositionen in der Regierung und der lokalen Verwaltung.”

Die Tätigkeit von Prigoschins Leuten in Charkow und Kiew dauert bis heute an. Allerdings erlaubt es die virtuelle Natur der Arbeit auch, sie vollständig aus Russland durchzuführen. Zum Beispiel aus Olgino. Die Bedeutsamkeit von Prigoschin für die ukrainische Lage im vergangenen Winter wird durch einen Eintrag im Telefonbuch des Leibwächters von Janukowitsch bestätigt, in dem dessen Arbeitstelefon (+7 (921) 969 …) und sein Vor- und Vatersname vermerkt ist. Die “Nowaja Gazeta” berichtete, wie durch einen Fehler der ukrainischen Ermittler wegen dieser Notiz der Senator der Region Rostow, Buschmin, auf die Sanktionsliste des Westens geriet, weil dessen Vor- und Vatersname zufällig mit denen Prigoschins übereinstimmen.

 

Krim. „Geheimer Berater“. Februar-März. „Projekt Frühling“

Das Krim-Epos stand bevor. Die neuen Helden der russischen PR-Arbeit schnappten die Stafette auf. Der Angelegenheit nahm sich der Mitarbeiter der Agentur „Geheimer Berater“ Alexej Krymin, Assistent des Abgeordneten der Staatsduma und stellvertretenden Vorsitzenden des Komitees für die Informationspolitik Leonid Lewin, an (Gründer und langjähriger Leiter dieser Agentur), sowie die PR-Frau Vera Kerowa (sie kooperiert lange Zeit mit „Geheimer Berater“, laut offiziellen Informationen arbeitete sie bei der bevollmächtigten Vertretung des Präsidenten in Zentralrussland [administrative Einheit Russlands; der Üb.], laut inoffizieller Informationen ist sie heute Mitarbeiterin des Archivs des Präsidenten der RF).

Alexej Krymin wurde zehn Tage vor dem Referendum auf die Krim geschickt, am 6 Mai. Er war zuständig für Agitations- und Propagandamaterialien, die Koordinationsarbeit bei der Vorbereitung des Referendums, und er führte soziologische Forschungen durch. In den Rechenschaftsberichten nannte sich das Ganze „Projekt Frühling“.

Bis zum Referendum schafften es Krymin und seine Genossen, 23 Radio- und 23 TV-Beiträge mit Aufrufen zur Beteiligung am Referendum zu produzieren; ein Dutzend Ausgaben der extra ins Leben gerufenen Zeitung „Krim 24“ mit der Auflage von einer halben Million herauszugeben und ein spezielles Lied über das Referendum zu verfassen. Ebenfalls beteiligte er sich an der Zusammenstellung von Listen derjenigen, die vor dem Referendum zum Fernsehen eingeladen wurden. Auf die Listen kamen die Abgeordneten der Staatsduma, Beamten der Krim und Russlands und zudem – Beobachter. Zum Beispiel aus Serbien.

Am Tag des Referendums schickten die Spezialisten von „Geheimer Ratgeber“ Fernsehteams der TV-Sender aus Russland und der Krim zu den Schauplätzen. Man behauptet, dass sie die Thematik und die konkreten Inhalte bestimmten. Und sie steuerten das Presse-Zentrum. Ein Abgesandter des „Geheimen Beraters“ schrieb Szenarien der Versammlungen, der Konzerte und gestaltete die Szene auf dem Boden eines Gebiets, das zu diesem Zeitpunkt in den Augen aller offiziellen Organe Russlands zur Ukraine gehörte.

 

Krim. Orden und Helden. Februar – März

Am 18. März starb bei einem Angriff auf das kartografische Zentrum der ukrainischen Armee in Simferopol ein Soldat der lokalen Selbstverteidigungseinheit, Ruslan Kazakow, ein 34-jähriger Bewohner des Kotelnikow Rajons, Volgograd Oblast in Russland. Ruslan kam auf die Krim als Freiwilliger. Es wurde klar: Russland hatte sich entschieden, die Lage in der Ukraine mit Hilfe von Freiwilligen militärisch angespannt zu halten, ohne eigene Soldaten zu senden.

Der russische Präsident behauptete, dass unser Militär dort nicht vor Ort sei, und er hatte formal recht. Ukrainische Journalisten, das Innenministerium und die Spionageabwehr haben den ganzen Südosten der Ukraine nach russischen GRU-Offizieren abgesucht, ohne die Chance zu besitzen, einen Feind mit echtem Militärausweis zu finden. Denn gerade Freiwillige mit Militärdiensterfahrung, unter anderem an Brennpunkten, wurden zu verlässlichen Instrumenten der Moskauer Politik.

Diese Leute (darunter übrigens auch viele ukrainische Bürger) begannen ihren neuen Dienst während der Operation auf der Krim. Kurz nach dem Referendum konnten wir Listen junger Leute einsehen, die von der russischen Vereinigung der Afghanistan-Veteranen für diverse Regierungsorden empfohlen und vom russischen Präsidialamt am 24. März bestätigt wurden. Sie alle wurden ausgewählt für diverse Orden: Die Medaille für Verdienste vor dem Vaterland des II Grades, eine schriftliche Danksagung des russischen Präsidenten, besondere Auszeichnungen. Insgesamt befanden sich auf den Listen über 200 Personen. Interessant: Die Jahrgänge der Empfänger der Orden – 1979 (10 Jahre alt zum Zeitpunkt des Truppenabzugs aus Afghanistan), 1990 (die Truppen waren vor einem Jahr abgezogen), 1989, 1985, 1988, 1978, 1979 usw.

Mindestens ein Drittel der Ordenempfänger wurde um und nach 1990 geboren, d.h. sie konnten nicht einmal in Tschetschenien, geschweige denn in Afghanistan im Einsatz gewesen sein. Dabei versicherten Quellen im Verteidigungs- und Innenministerium der Redaktion, ihre eigenen Ordenempfänger streng nach ihren Amtsregeln ausgewählt zu haben. Die Vermutung liegt nahe, dass Personen, die sich auf der Krim ausgezeichnet haben, aber keinen Militärausweis besitzen, mit Hilfe der Veteranenorganisation geehrt wurden.

Offiziell hat die Veteranenvereinigung von Afghanistankämpfern unserer Zeitung bestätigt, dass manche Mitglieder der Vereinigung in der Tat Orden erhalten haben. Wörtlich formuliert: “für die aktive Beteiligung bei der Verfestigung der Völkerfreundschaft” (aus dem Dokument des Präsidialamtes). Bezüglich des Alters: “von ihnen (den jungen – Red.) gibt es überhaupt nicht viele, obwohl die Anzahl in diesem Fall keine Bedeutung besitzt, denn, laut unserer Satzung kann jede Person, die ihr 18. Lebensjahr erreicht hat und die satzungsgemäßen Ziele unserer Organisation teilt, Mitglied unseres Vereins werden”.

Z.B. Viktor B., Jahrgang 1990, Roman E., Jahrgang 1989, oder Sergej U, 1991.

Es besteht kein Zweifel, dass die junge Leute, die Orden und Urkunden vom Präsidenten erhielten, bestimmte sehr ernste satzungsgemäße Ziele geteilt haben.

 

Girkin (Strelkov). Der neue Schtschors [ukrainischer Truppenführer der Roten Armee im russischen Bürgerkrieg; der Üb.] des Donbas. März – Mai

ИТАР-ТАСС
“Manche sehen in mir einen gefährlichen Verrückten.” – I. Strelkov, der “Kommandierende der Selbstverteidigung von Slawjansk”

Zu dieser Zeit ging auf der Krim der Stern eines anderen PR-lers auf – Aleksander Borodajs, des zukünftigen “Premierministers” der Donetsker Volksrepublik und Kampfgenosse des “Donetsker Schtschors” Igor Girkin (Strelkov), der sich ebenfalls dort auf der Krim befand in den Reihen der Freiwilligen. Strelkov unterhielt Arbeitsbeziehungen zu Aksjonov, Premier der Krim, und sammelte aufklärende Informationen über die Maßnahmen, die die Aktivisten des Maidans im Zusammenhang mit dem Referendum planten. Zum Beispiel leitete er die Autokennzeichen der PKWs aus Odesa weiter, die für die Einreise auf die Krim genutzt werden sollten.

Allem Anschein nach würdigten die Machthaber damals die Bemühungen Strelkovs nicht. In einem der Briefe (der der Redaktion vorliegt) vom 31.März schrieb er direkt:Das Problem liegt darin, dass ich selbst gerade auf der Krim praktisch nichts vermag. Ich erfülle die Aufgaben im Hinblick auf den Norden, während meine Kollegen vor Ort und die Miliz mich weiß der Teufel wessen verdächtigen und als “gefährlichen Verrückten” ansehen. Sie beginnen sogar schon langsam, meine Leute abzufangen. Bald kommen sie auch zu mir. Ich habe keinen offiziellen Status (überhaupt keinen Status) bekommen und halte mich nur wegen einiger Kontakte zu Aksjonov… ich werde mich nicht von den Hauptaufgaben ablenken lassen (Ablenkungen gibt es auch so genug, die Pässe machen richtig Scherereien).”

Re: (ohne Betreff)
Strelkov Igor <[email protected]
Empfänger: D******* Igor <*******@yandex.ru

Grüß Dich, Igor!

Das Problem liegt darin, dass ich selbst gerade auf der Krim praktisch nichts vermag. Ich erfülle die Aufgaben im Hinblick auf den Norden, während meine Kollegen vor Ort und die Miliz mich weiß der Teufel wessen verdächtigen und als “gefährlichen Verrückten” ansehen. Sie beginnen sogar schon langsam, meine Leute abzufangen. Bald kommen sie auch zu mir. Ich habe keinen offiziellen Status (überhaupt keinen Status) bekommen und halte mich nur wegen einiger Kontakte zu Aksjonov.

Entschuldige, aber ich werde mich nicht von den Hauptaufgaben ablenken lassen (Ablenkungen gibt es auch so genug, die Pässe machen richtig Scherereien). Versteh´ und verzeih´.

Hochachtungsvoll.

Nach Informationen der “Novaja Gazeta” zog Strelkov von der Krim weiter in den Donbas, geleitet von den Ideen der “russischen Mission” in der Interpretation von Aleksandr Prochanov. Es sieht so aus, als wären die Aufgaben “im Hinblick auf den Norden”, hinter dem sich leicht der Donbas erraten lässt, wo man einen ukrainischen Pass braucht, für Girkin auch die Hauptaufgaben. Genau wie für seinen Kampfgenossen Borodaj.

РИА НовостиBorodaj wird der “Premier” der Donetsker Volksrepublik und Girkin ihr militärischer Anführer. Die sich gegenseitig bekämpfenden Seiten bei Slavjansk und Kramatorsk beschießen einander bereits mit Haubitzen und Minenwerfern. Der Krieg in der Ostukraine wird dabei von allen Anzeichen einer PR-Kampagne begleitet, die denen bei der feindlichen Übernahme eines Unternehmens oder der gewaltsamen Aufspaltung einer großen Firma in Russland ähneln. Das sind nicht zwingend notwendige Erklärungen, regelmäßige leere Drohungen von Hochstaplern und führenden Politikern, Lügen der offiziellen Propaganda, von Journalisten und Bloggern auf beiden Seiten, unangemessene Statistiken über Verluste bei gleichzeitigem Grabesschweigen der Leute, die tatsächlich das Schicksal des Landes entscheiden. Das Bild wird ergänzt von durch das Gebiet streifenden Banden vermischt mit verkleideten eigenständigen “Erkundungsgruppen” bestehend aus Aktivisten des Maidans und nach der Drei-Finger-Regel manövrierende ukrainische Panzer. Und darüber ein überschäumendes Meer staatlicher Propaganda der russischen Medien.

Die geistigen Wurzeln der Haupthelden der Donetsker Volksrepublik liegen in der Zeitung “Zavtra”. Girkin (Strelkov) selbst empfiehlt sich schriftlich wie folgt:

“Ich heiße Girkin Igor Vsevolodovitch, geboren 17.12.1970, gebürtig aus und wohnhaft in Moskau. Das Pseudonym lautet (anfangs militärisch für die “Dokumente zur Tarnung”, und jetzt als literarisches und für die Rekonstruktion) Igor Strelkov. Ich habe das Moskauer Historisch-Archivarische Institut abgeschlossen als Historiker, Fachrichtung Archivar, aber keinen einzigen Tag in dem Beruf gearbeitet, weil ich komplett in die für meine Familie traditionelle militärische Sphäre abgetaucht bin. Als Freiwilliger habe ich an Kampfhandlungen in Transnistrien (1992), Bosnien (1992-1993) und in Tschetschenien (als Söldner, 1995) teilgenommen. Seit 1996 habe ich beim Föderalen Sicherheitsdienst (FSB) gedient. Von 1999 bis 2005 habe ich fast ununterbrochen in Tschetschenien gedient. Ich wurde verwundet und bei einer Explosion verletzt, habe Orden. Wegen Stellenkürzungen in die Reserve entlassen im Rang eines Oberst. Ich beantrage derzeit die Pension. Ich arbeite als Leiter des Sicherheitsdienstes in der Firma “Marshall-Kapital” bei Konstantin Malofeev.” (Malofeev, merken wir uns die Red.)

Allerdings legte Igor Girkin im August 2005 beim Check-In für eine Flugreise den Dienstausweis eines aktiven Mitarbeiters des FSB der Russischen Föderation RZ Nr. 097 vor. Damit kann die Frage, wer Girkin während seiner Armeezeit war, als geklärt betrachtet werden – er hat im FSB gedient. Als wer, wissen wir nicht, aber er war kein Offizier des GRU.

Einige Fakten in der angeführten “Autobiographie” werfen berechtigte Fragen auf. Man kann annehmen, dass die Personaler unprofessionell waren und einen Passionär genommen haben, der drei Brennpunkte hinter sich hat (die Geheimdienste der ganzen Welt meiden solche Vögel): in den 90er Jahren gab es keine Wahl. Aber wie kann man es in sechs Jahren, selbst unter Berücksichtigung der Kampfeinsätze, zum Oberst bringen? Oder gibt es hier Übertreibungen?

2003 war Girkin Mitarbeiter des Nationalen Armeefonds. Auf dessen Seite heißt es, er sei 1999 auf Putins persönliche Initiative gegründet worden und sei “eine gesellschaftliche Vereinigung, die ihre wohltätigen Aktivitäten aus freiwilligen Spenden juristischer und natürlicher Personen realisiert.” 2007 wurde die Bezeichnung auf einer allgemeinen Versammlung von “Allrussländischer Gesellschaftlicher Fonds” zu “Nationalem Wohltätigkeitsfond” geändert. “Der Fonds arbeitet unter der Schirmherrschaft des Staatsoberhauptes, im Kontakt mit der Verwaltung des Präsidenten Russlands, seiner ermächtigten Vertreter in den Föderationskreisen, der Leiter der Föderationssubjekte der Russischen Föderation, der machtausübenden Ministerien und Behörden [d.h. insbesondere Inneres, Verteidigung, Justiz, Katastrophenschutz, FSB; der Üb.]. Zur Stiftungsaufsicht gehören: Patriarch Kirill, Vagit Alekperov (LUKOIL), Viktor Vekselberg (“Renova”), Oleg Deripaska (“Bazovyj Element”), Michail Fridman (Alfa-Bank) und Aleksandr Schochin.

Von: Evgeni Tin “tin****
An: **********mail.ru
Betreff: Evgenij von Igor Ivanovitch
Vom: 30. April 2014, 15:14:41(Wed, 30 Apr 2014********

Guten Tag!
Konstatin Aleonardovitch, hier ist Evgenij. Ich wende mich an Sie im Namen von Igor Ivanovitch, Slavjansk. Wie Sie sich erinnern, hatten wir uns zu dritt auf der zweiten Etage des Ministerrats getroffen. Die ganze Zeit über arbeiten ich und Igor sehr eng und produktiv zusammen. Gestern habe ich von ihm die Anweisung erhalten, mich an Sie zu wenden wegen eines Treffens mit Sergej Valerevitch.

Thema des Treffens:
1. Anbahnung meines Kontaktes mit Aksjonov und die Herstellung eines direkten Kontaktes von Sergej Valerevitch mit Igor
2. Bericht über die Situation in der Region bei der Verwaltung und in der Sphäre der Organisation und Koordination der Arbeit
3. Teilweise Versorgung der Widerstandskräfte
4. Transfer unterstützender Machtmittel und Sondermittel
5. Anbahnung von Informationskontakten und Unterstützung in der informationellen Sphäre
6. Unterstützung beim Filmen von Promo-Material (Werbe-Clips), die die Bevölkerung stimulieren werden. Das Film-Team ist unseres, das Szenario ist abgesprochen und ich habe vor, diese Gruppe auf die Krim zu bringen

7. Erhalt von Anweisungen für die weitere Tätigkeit und vollständige Koordinierung.

Freue mich ebenso über andere Aspekte.
Bin bereit zu jeder Zeit zu kommen.
Das ist sehr wichtig.

Warte auf Antwort.
Evgenij
067*************

Leitung des Fonds

NOSOV Vladimir Alekseevitch – Direktor, ehemals erster Stellvertreter der Abteilung für militärische Gegenaufklärung des FSB, Mitglied des Allgemeinen Rates des FSB

MOLJAKOV Aleksej Alekseevitch – stellvertretender Direktor, ehemals Leiter der militärischen Gegenaufklärung des FSB, Mitglied des Allgemeinen Rates des FSB

***

Derartige Fonds können sowohl als Tarnung für aktive Mitarbeiter dienen, zum Geschäftemachen, oder auch einfach als “Dienstausweis mit Status” zum Schutz vor der Verkehrspolizei.

 

Borodaj. Der nationale russische Trotskij. März-Mai

Um die Denkweise der Anführer der Volksrepublik Donetsk und deren Geistesbrüder aus Moskau zu verstehen, ist es von Vorteil, einige Fakten zu kennen.

 

Steckbrief. Alexandr Juriewitsch Borodaj wurde 25.07.1972 in Moskau in der Familie des bekannten Philosophen und Publizisten Jurij Borodaj geboren. Absolvierte die MGU. Ständiger Autor der Zeitung „Zavtra“. Mitte der 90-er betrieb er eigene Geschäfte, gründete die TOO [Genossenschaft mit beschränkter Haftung; der Üb.] „TUR“ (Software-Produktion) und eine OOO [Gesellschaft mit beschränkter Haftung; der Üb.] „Tilgan“ (Handel). Am 06.10.2003 wurde auf Borodaj ein Attentat verübt (Bericht des GUWD, Hauptverwaltung für innere Angelegenheitender, Stadt Moskau):

 

„am 6.Oktober um 18:45 Uhr wendete sich der Fahrer eines privaten Fahrzeugs, Bagirow A.W., geb. 1966, arbeitslos, wohnhaft: Rjasan Prospekt ** ** und meldete, dass um 16:05 Uhr im Treppenhaus des Hauses ** Geb.1 auf Nowotscherjomuschenskaja Straße zwei Unbekannte Borodaj A.J., geb. 1972, Generaldirektor der OOO „Tilgan“ trafen und ihm drei Stich- und Schnittwunden am Hals und an der Brust zufügten, mit der Pistole auf den Kopf schlugen, ihm seine Aktentasche wegnahmen, in der sich Firmenunterlagen befanden, und verschwanden (KUS-2038). Bagirow brachte Borodaj mit seinem Automobil zur Städtischen Klinik Nr. 64, wo er operiert wurde. Das Opfer zu befragen stellt sich als unmöglich dar. Eine Untersuchung läuft.

 

Laut einer der Versionen ist das Attentat ist mit den Schuldverpflichtungen von Borodaj gegenüber seinen Gläubigern verbunden. Später wurde Borodaj einer der Mitbegründer der OOO „Verlags- und Beratungsfirma Praxis“ und OOO „Soziomaster“ (PR-Dienstleistungen). Nahm an mehreren Wahlkampagnen teil.

 

Dissertation des Kandidaten der juristischen Wissenschaften [entspricht dem deutschen Doktor-Titel; der Üb.]: 12.00.03
[der Dissertations-Code steht für: Bürgerrecht; Unternehmensrecht; Familienrecht; der Üb.]. Ort der Verteidigung: Russländische Rechtsakademie des Justizministeriums der RF.

 

Alexandr Juriewitsch ist eng verbunden mit dem „Oligarchen“ Konstantin Malofeew, dem Gründer des Investitionsfonds MarshallCapitalPartners, Minderheitsaktionären von „Rostelekom“ (hält ca. 10% der Aktien), Mitglied des Kuratoriums der nichtkommerziellen Partnerschaft „Liga des sicheren Internets“ und Vorstandsvorsitzender der Stiftung des Heiligen Wassilij des Großen.

 

Am 20. November 2012 wurde im Rahmen eines Strafverfahrens wegen eines großen Betrugsfalls eine Durchsuchung im Büro und am Wohnsitz von Malofeew durchgeführt. Malofeew wurde wegen eines Kredits angezeigt, der von der Bank WTB für Malofeews Firma „Rusagroprom“ (225 Mio. Dollar) gewährt wurde. Malofeew hatte aufgehört, den Kredit abzuzahlen. WTB klagte, schloss jedoch, aus einer Gewinnerposition heraus, im Februar 2014 einen Vergleich mit Malofeew – man kann vermuten, dass darauf die Ereignisse in der Ukraine einen Einfluss hatten: so kann es sein, dass Malofeew seinen PR-Managern und dem ehemaligen Leiter des Sicherheitsdienstes Strelkov im Donbas nicht ganz auf eigene Kosten hilft…

 

Am Vortag der Durchsuchungen wurden Abgeordnete des Znamensker Siedlungsrats im Smolensker Gebiet von den Abgeordnetenwahlen wegen Kaufs von Malofeew-Wählern ausgeschlossen.

 

Während der Krim-Ereignisse wurde Alexandr Borodaj im Umfeld des Premierministers der Republik Krim, Sergej Aksjonow gesichtet. Seine Stimme ist auf der Aufnahme des abgefangenen Mobilfunk-Gesprächs nahe Slawjansk, welche vom SBU [dem Sicherheitsdienst; der Üb.] der Ukraine veröffentlicht wurde. In dem Gespräch tauschen sich ein gewisser „Alexandr aus Moskau“ und sein Gesprächspartner mit dem Spitznamen „Strelok“ über die Vernichtung einer Gruppe ukrainischer Silowiki [bewaffneter Kräfte; der Üb.] aus.

 

Borodaj stritt den Fakt der Unterredung nicht ab. Dabei verheimlich er nicht, dass Igor Strelkow („Strelok“) sein alter Freund ist. 1999 waren sie als Korrespondenten der Zeitung „Zavtra“ in Dagestan und drehten dabei eine Reportage über wahhabitische Dörfer. Strelkow nahm aktiv an den Krim-Ereignissen teil, was er selber mehrmals verkündete. Er war Kommandant der Kampfverbände zur Einnahme der Militärstützpunkte und koordinierte gemeinsam mit Borodaj die Dreharbeiten von „Life News“ und des TV-Senders „Rossija“.

 

Ein jahrelanger Ratgeber und Geschäftspartner von Borodaj ist der Moskauer Alexandr Rudakow (geb. 1972), der sich als Geheimdienst-Veteran und Spezialist auf dem Gebiet der Durchführung informativer und psychologischer Operationen ausgibt, die der Erfüllung der operativen Aufgaben des nationalen Sicherheitssystems dienen. Rudakow kooperierte 2002 aktiv mit „Einiges Russland“ und der Zeitung „Zavtra“. Autor einiger Bücher über die [Führungs-]Spitze Nazi-Deutschlands.

 

Rudakow über sich:

 

– Da ich viele Jahre in sowjetischen und später russischen Geheimdiensten arbeitete, hatte ich dank meiner Tätigkeit Umgang mit verschiedenen einzigartigen Menschen, darunter den ehemaligen Führungskräften des Dritten Reichs, die dem Nürnberger Tribunal entgehen konnten. So erhielt ich, Puzzleteil für Puzzleteil operative Information sammelnd, deren Quellen ich aus verständlichen Gründen nicht nennen kann, ein vollständiges Bild dessen, was mit dem Hauptübeltäter des 20. Jahrhunderts im Frühling 1945 geschehen war.

 

Indes wurden keine Informationen darüber gefunden, dass Rudakow beim KGB-FSB diente (1991 wurde Rudakow 19 Jahre alt).

 

Wir zitieren ein großes Fragment aus den Arbeiten Rudakows, um zu verstehen, in was für einer intellektuellen Bouillon, inmitten welcher konspirologischen Konzeptionen sich unsere Spielfiguren drehten… Aus dem Interview mit Rudakow:

 

– Konnte Adolf Hitler im Frühling 1945 also doch fliehen oder nicht?

 

– Ja! Im April 1945 stach Adolf Hitler in einem U-Boot der neuesten Ausführung ins Meer. Er war in Begleitung von Tauchbooten, welche mit Walter-Antrieben ausgestattet waren, für die es bis heute nichts Vergleichbares gibt, weder in England noch in den USA, noch in Russland. Am Stützpunkt in Argentinien blieb Adolf Hitler nicht lange und nach einer recht kurzen Zeitperiode zog er hinüber zum Zwischenstützpunkt auf Haiti. Und in den 70-er Jahren (ich will nicht das genaue Datum nennen, weil noch alle Teilnehmer dieser Operation am Leben sind) überquerte Hitler erneut den Ozean und wurde von dem Stützpunkt in Westafrika auf die Malediven überführt.

 

– Und was ist mit Eva Braun?

 

– Zu diesem Zeitpunkt war sie schon lange tot. Extra für Hitler wurde aus Spanien eine gewisse Baroness gebracht, die die zweite Gattin des Führers wurde. Übrigens, auf die Malediven brachte sie ca. 1974-1975 der berühmte Otto Skorzeny, der seinerzeit aus der Hand der Alliierten DEN Benitto Mussolini befreite. Übrigens, Hitler und die Baroness bekamen Kinder.

 

– Er war doch zu diesem Zeitpunkt bereits ein Greis!

 

– Dank den Errungenschaften der deutschen Medizin konnte er sehr wohl ein Kind auf normalem Wege kriegen. Ich weiß absolut genau, dass deutsche Verjüngungstechnologien durchaus so etwas erlaubten.

 

Außer der Geschichte mit Hitler behauptete Rudakow, der Vulkanausbruch in Island wäre das Machwerk der Nazi-Nachfolger gewesen, die auf der Insel geheime Speicher besitzen.

 

– Sie haben gesehen, wie es auf Island zu einem Vulkanausbruch kam. Was ist dem vorausgegangen? Der Wirtschaftscrash. Sie verstanden es nicht, so wurde ihnen das Kerosin aufgedreht. Meine Prognose ist folgende: sie werden auf die eine oder andere Weise so lange erschüttert, bis sie alle von dort weggezogen sind. Es ist eine Frage des Zugangs zum Speicher. Island war einer der wichtigsten strategischen Stützpunkte des Dritten Reichs, dort befand sich eine Basis der Unterwasserflotte und fliegenden Untertassen. Ich werde jetzt nicht erzählen, warum ausgerechnet Island, wegen welchen strategischen Komponenten, wegen welchen Bodenschätzen. Jetzt wird sich die Lage in Island ein wenig beruhigen, aber danach wird man ihnen ein Erdbeben verpassen. Und das so lange, bis sie ihre Koffer packen und auf das Festland ziehen, die einen nach Dänemark, die anderen nach Norwegen oder nach Schweden. Ein anderes Beispiel – Griechenland. Warum gibt es dort ein Beben und warum sagt Merkel: lasst uns von euch eine Insel kaufen? Ich weiß, welche Insel sie kaufen wollen. Die Griechen lehnen erstmal ab. Doch sobald sie zustimmen und die Deutschen diese Insel kaufen, ist alles aus. Mit anderen Worten, es gibt strategische Plätze, wohin das Erbe des Dritten Reichs gebracht wurde – Gold, Gemälde und so weiter. Aus Südafrika brachte man Diamanten – aus Kongo, aus Angola.

 

Laut Angaben der Quelle der „Nowaja Gazeta“ wird sich Rudakow in der selbstausgerufenen Republik Donbas mit der Staatsideologie befassen. Gott gib ihm Erfolg, kann ja sein, dass sich in den Bergwerken von Rinat Achmetow geheime Speicher der Nazis finden.

 

Zur Vollendung des Porträts der Geschichtsrekonstrukteure und Ideologen der nationalen Sicherheit kann man das “Fantasy”-Buch lesen, das Igor Strelkow für die Kinder schrieb und für welches Borodajs Agentur „Soziomaster“ bereits seit fünf Monaten wirbt, unter anderem in der „Nowaja Gazeta“ (in dieser Ausgabe auf Seite 22). Interessant, dass 2003 der Organisator der propagandistischen Kämpfe in der Ukraine Evgenij Prigoschin ein gemeinsam mit seinen Kindern geschriebenes Märchenbuch „Indragusik“ veröffentlichte. Wenn wir uns an die Märchen für Erwachsene erinnern, die der Ideologe-in-spe für den Donbas Rudakow schreibt, erhalten wir ein verbindendes typologisches Identifikationsmerkmal für diese Gruppe von Leuten.

 

 

 

Wahlen des Präsidenten der Ukraine. Instrumente der Gewaltpolitik. Mai

Sich vorzustellen, dies seien echte Vertreter des Kremls mit einem Mandat auf Partisanenhandlungen im Nachbarland, ist unmöglich. Wer sind sie dann? Anscheinend haben die Umstände, unter denen der Kreml in diesen Regionen gezwungen ist, zu handeln, auch seine Arbeitsformen bestimmt. Die Mobilisationsmöglichkeiten jedes Landes, laut zahlreichen theoretischen Arbeiten, erlauben sogar unter Bedingungen eines totalen Krieges nicht mehr als 10% der Bevölkerung sogar für eine sehr kurze Zeitperiode einzuberufen. Kein einziger Bürgerkrieg hat diese Schlussfolgerung widerlegt. Zum Ende des Bürgerkriegs [1917-1923; der Üb.], der ganz Russland mit 15 Mio. Bevölkerung ergriff, erreichte die Stärke der Roten Armee 5,5 Millionen Mann. Und in diesem Krieg wurden Grundfragen gelöst, die wichtiger waren als diejenigen, die Separatisten von Luhansk und Donetsk zu ihrer Agenda gemacht haben.

Die Bereitschaft, eine Waffe in die Hände zu nehmen, zeigen nicht viele, sogar unter Bedingungen einer uneingeschränkten Unterstützung und einer hohen Motivation unter den Aufständischen (was wir noch nicht beobachten). Das sieht man aus der Geschichte der Partisanenbewegung gegen die Sowjetmacht im Baltikum und in der Westukraine. Einige Umfragen, die unter unterschiedlichen Bedingungen in ihrem Südosten durchgeführt wurden, zeigten, dass zu einem bewaffneten Kampf, sogar unter lebensbedrohlichen Umständen, nicht mehr als ein Viertel der Bevölkerung bereit wäre. So sieht also die soziale Basis der Partisanenbewegung sogar auf jenen Territorien der Ukraine aus, die im Kreml als am stärksten „pro-russisch“ betrachtet werden.

Unter diesen Bedingungen eher diejenigen im wörtlichen Sinne zu kämpfen bereit, für die Gewalt auch schon vorher etwas gewöhnliches war: Fußball-Fanatiker, praktizierende Rechtsextreme, Jugend, die um Einfluss „in der Region“ und auf örtlichen Tanzveranstaltungen kämpfte, seltener Banditen. Und sowohl die Führung in Kiew als auch Verbündete von Strelkov/Borodaj versuchen, eine gute Miene zum schlechten Spiel zu machen. Hier setzt sich der faktische Anführer der VRD Strelkov in seinem Brief für seinen Kampfgenossen, Anführer der „Föderalisten“ in Mariupol, Oleg Butskoj wie folgt ein: „Ich übersende das Bittgesuch des Selbstverteidigungstrupps (ca. 300 Mann, alles ehemalige Offiziere, Diversanten und Kampfschwimmer von der Maiski-Insel), welcher bereits seit etwa einem Monat die Verteidigung in seiner Region übernimmt. Sie bitten, ihnen nach Möglichkeit Hilfe aus Russland zu leisten“. Weiter die Liste: Kleider nach Kleidergrößen (mit einer Spezifizierung – keine Tarnfarben!), mobile Funkgeräte, aktive Verteidigungsmittel, Finanzierung und „das, was Männer in einer schweren Zeit in den Händen haben sollten.“

Dieser Brief ist an Aksjonow auf der Krim gerichtet, als dieser schon hochrangiger Staatsbeamter der Russischen Föderation geworden war. Er blieb offenbar ohne Antwort.

Hier ist eine Auslese aus dem Briefwechsel desselbigen Oleg Butskoj, des Kriegskameraden von „Strelok“, zwischen Anfang April und 9. Mai. Es sind dramatische Zeugnisse der realen Situation der Freischärler, die aus den uns in diesen Tagen gezeigten Reportagen des russischen Fernsehen nicht ersichtlich sind.

RE: (hier ist der Name von uns geschwärzt – Red.)
Absender: N.W.

Empfänger: Oleg Butskoj
17.April, 23:43
Man treibt absichtlich einen Keil zwischen euch. Es war eine Provokation – man muss Irre sein, um „einen Militärstützpunkt!!!!! zu überfallen!!!!!!!“
Streiten soll man sich nicht. Es ist eine absichtliche Provokation!!!!!“

17.04.2014, 04:16, „Oleg Butskoj“
Natascha… so genannte Vertreter der Republik Donetsk haben einen Überfall auf die Militäreinheit initiiert. Vier Tote, mehrere Dutzend Verletzte! Unsere unbewaffneten Leute hat man unter dem Visier der Maschinenpistolen gegen die Garnison getrieben… Einheit der WW [Streitkräfte des Innenministeriums; der Üb.]… wenn bislang die Polizei auf unserer Seite war, dann sind sie jetzt darüber, dass man sie überfallen hat, sehr erbost! Das Volk ist ganz verwirrt… Die Veteranen des Innenministeriums haben sich geweigert, den Widerstand zu unterstützen! Bis drei Uhr nachts haben wir eine gemeinsame Sitzung abgehalten… Ich versuche soweit möglich die Situation unter Kontrolle zu halten. Am Morgen fahre raus nach Donetsk, um mit der Führung der Kreisverwaltung zu streiten… Sie sind dort vollkommen inadäquat!!!

23.04.2014 „Oleg Butskoj“
Hallo! Disharmonie und Taumeln… ein Haufen Kommandanten… Ich versuche, die zersplitterten Gruppen zu vereinen… noch gelingt es. Wichtig ist die Versorgung. Lebensmittel sind genug da. Es fehlen komplett Waffen und Kleider… in Sweatshirts und mit Doppelflinten Krieg zu führen ist nicht das Wahre! Hätten wir Finanzmittel, wäre es einfacher… aber auch die Krümel, die wir haben, lösen die Probleme nicht, es reicht gerade so fürs Benzin… Die Unterhaltskosten einer Gruppe aus 30 Mann sind an einem Tag ist nicht gerade niedrig… und ich habe über Tausend von ihnen… solange halte ich viele in Reserve!. Es scheint, dass man uns entweder verspeist oder wir kommen in die Phase eines zähen Partisanenkampfes…
Wir sind NICHT zu besiegen… Der Sieg wird unser sein!
P.S:. Es kommt so vor, dass Russland uns einfach aufgibt…. Dennoch, ich verstehe, dass es möglich ist, dass sie KEINEN einzigen echten Führer sehen, mit dem man einen Dialog führen und dem man konkret helfen könnte.

06.05.2014, 21:52, „Oleg Butskoj“
Natascha, danke!
Gott gebe, wir überleben diese Nacht!
Zwei unserer Kontrollpunkte in Mangusch wurden niedergeschossen.
Im Flughafen landeten drei Hubschrauber mit PS (Nationalgarde)
Der Sieg wird unser sein.
Fahre zum Vollzugskomitee.

06.05.2014, 18:27, „Oleg Butskoj“
Natalia, hallo!
Gibt es eine Möglichkeit bei euren Jungs zum Auftritt der Führung [Sinn nicht ganz klar; der Üb.]? Der Mangel an Instrumenten lässt sich spüren, es werden auch Finanzen benötigt. Das ist, wenn es noch eine Möglichkeit gibt, unserer Bewegung zu helfen.
Wir können Nowoasowsk und Mariupol einnehmen, nach demselben Prinzip wie Slawjansk. Das zieht eindeutig die Truppen von Slawjansk ab. Und ermöglicht es, einen Korridor an der Grenze mit der RF zu machen. Aber mit dem Stahl [Waffen; der Üb.] und den Finanzen ist es überhaupt schlecht.
Mit allem Respekt!

Re: gesendet
Absender: N.W.
Empfänger: Oleg Butskoj
7. Mai, 11:18 Herr, rette und beschütze!
Mai – DER MONAT DER SIEGE!!!
Banken sind gesperrt, die Hilfe wird es lediglich aus R.b. geben (? – Red.)
Haltet durch!

Außerdem noch:

Oleg! Ich schreie bei allen Bekannten, übermittle deine Kontaktdaten. Morgen sind die Renten bei uns auf der Krim – Hilfe wird versprochen. Ich bitte die Freunde aus den sozialen Netzwerken. Unsere Brigaden sind gestern zur Hilfe von Norden und Süden rausgefahren. Es gibt bereits Verluste. Glaub mir, ich tue soviel ich kann. Haltet durch!

Morgen ist die Pressekonferenz zum Thema Unterstützung des Referendums im Südosten, dort werde ich versuchen, Verständnis zu finden. Durch die Selbstverteidiger versuche ich, dass geholfen wird… also, ich schweige nicht. <…>

Dieser Briefwechsel, deren persönliche Daten in Übereinstimmung mit den Gesetzen von uns entfernt wurden, ist voller unverfälschter Dramatik.

Liste der Gefallenen mit Namen, Geburtstagsdaten und den Todesursachen

Listen mit Gefallenen und Verwundeten mit dem Stand vom 3. Mai aus dem Briefwechsel von Butskoj

Liste der Verwundeten mit Namen, Geburtstagsdaten und Verletzungs-Diagnosen

Die aufrichtig den Aufruf des Moskauer Gastensembles unterstützenden Bürger der Ukraine, die sich der Bürgermiliz angeschlossen hatten, gerieten in eine schwierige Lage. Und im Donbas sterben lokale Einwohner und Freiwillige, die den Streitkräften der Ukraine und den Freiwilligen des Maidan gegenüberstehen. „Hier gibt es keine Spur einer weisen Führung der Geheimdienste“ – sagte uns einer der angesehenen Kriegsexperten.

Verzweifelter Widerstand, Aussichtslosigkeit und die Erkenntnis, dass die russische Armee nicht über die Grenze kommen wird. „Der Oberbefehlshaber hat den Entschluss gefasst: es ist ein Irrsinn, einen Krieg zwischen den Armeen Russlands und der Ukraine zu führen. Im 21. Jahrhundert gibt es andere Einflussmethoden. Aber in der ganzen Welt ist es üblich, diejenigen zu evakuieren und zu retten, die aufrichtig geglaubt haben“ – fügte unser Gesprächspartner hinzu.

Im Kreml versteht man: wenn in Mariupol tatsächlich, wie es die Autoren von „politischer Science Fiction“ schreiben, 300 Speznas-Diversanten kämpfen würden, würden diese den Widerstand selber so organisieren, wie sie es beigebracht bekommen haben, und würden nicht nach Rat fragen. Und so findet man, wie man diese Geschichte auch betrachtet, überall aufgeblasene Zahlen, geschönte Statistiken, wie bei allen Polittechnologen, die Budgets erschließen… vergossen aber wird echtes Blut auf beiden Seiten. Blut, das lange nicht vergeben wird.

Es sieht so aus: von Anfang an wird der kostenlose Enthusiasmus der Freiwilligen im Donbas benutzt. In Moskau fiebern Dugin und Prochanow mit ganzer Seele mit. Aber eigentlich sind sie, die Freiwilligen, nur Teil eines Schemas zur Schaffung neuen Einflusses auf die Ukraine nach den Wahlen.

Wladimir Putin hat noch nie die Ziele Moskaus in der jetzigen Lage verheimlicht: Kiew soll blockfrei sein, die Regionen sollen föderalisiert werden. Hier ist er auf seine Art ehrlich. Die Regierung von Jatsenjuk ist nicht bereit, solchen Bedingungen zu entsprechen. Um sie dazu zu zwingen, braucht es harte Mittel.

Die in den Krieg gezogenen Geschichtsrekonstrukteure versuchen in Donbas ihre eigene Realität zu errichten, sie glauben an sie, wie Rudakow an die aktive Nazi-Basis im isländischen Vulkan.

P.S. Wir danken für das bereitgestellte Material die Mannschaft der Anonymen Internationale (TwitterWordPress)

           Fortsetzung folgt

Quelle: http://www.novayagazeta.ru/politics/63733.html
Übersetzung aus dem Russischen:
Eugen Dwdnk, Mariana Sailer, Martina Steis, Marina Bondas und Margarita Dmitriewa

 

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