Von Oleh Kryshtopa
Wir standen auf den Barrikaden und starrten in die Richtung des Regierungsgebäudes. In manchen Fenstern brannte Licht. Ab und zu fuhren Autos die Hruschewskyjstraße runter. Alles was ruhig. Zu ruhig. Auf einmal fasste jemand meine Hand. Ich drehte mich um. Unten stand ein Mädchen und bat ihr zu helfen auf die Barrikade klettern. Ich reichte ihr die Hand und wollte mich wieder zu den Freunden umdrehen. Aber sie hatte Lust, mit mir zu reden. Ihr Name sei Tanya, sie sei Biochemikerin, zweite Ausbildung – IT, eine typische Extremistin also. Tanya käme nicht allein, sondern mit irgendwelchen Jungs, sie stünden jedoch abseits, hätten Angst näher zu treten, als wäre hier eine Quarantäne.
Vielleicht hätten sie von der Krankheit des Präsidenten gehört? Indes stehen wir da oben und führen eine beinahe Salonunterhaltung – über die Kinderklinik, wo sie arbeitet, über das Gesundheitswesen im Allgemeinen, über die kostenfreie medizinische Versorgung auf dem Maidan und natürlich über das Bildungswesen. Zur Vervollständigung des surrealistischen Bildes fehlen nur Schüsse. Ich merke, dass sie die ganze Zeit etwas fragen will, sich aber nicht traut.
„Wie ist es denn, ein Held zu sein?“ hält sie schließlich nicht mehr aus. „Ich weiß es nicht“, antworte ich ehrlich. Die Jungs von unten rufen nach ihr. Sie winkt ab, aber mit dem Gespräch klappt nicht mehr. Sie scheint sich zu schämen, als ob sie mich für einen Bekannten hielt und erst jetzt verstand, dass sie sich geirrt hatte. Die Jungs rufen wieder und diesmal geht sie, ohne sich zu verabschieden.
„Ehre der Ukraine!“ wie immer ruft jemand. „Ehren den Helden!“ rufen alle zurück. Nur sie nicht.
Übersetzt von Iris Barbaris
Oleh Kryshtopa ist ein ukrainischer Autor und Reporter