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Stimmen des Maidan: Olga Zhuk

Jetzt kann ich wieder lachen und sogar scherzen. Doch noch ein paar Stunden zuvor stand ich mitten auf dem Maidan und heulte mir Seele aus dem Leib. Und ich konnte nicht aufhören. Ein Mädchen kam auf mich zu, umarmte mich, versuchte, mich zu beruhigen, küsste mich auf die Stirn. Ich heulte auf ihrer Schulter, wie ein Kind in Mutters Armen. Sie verstand, dass mich in diesen Minuten nur eine Umarmung retten konnte. Noch ein bisschen, und mein Herz wäre vor lauter Verzweiflung zerrissen.

Ein paar Minuten davor stand ich ruhig auf der Schovkowytschna, schaute zu, wie die Berkut vom Dach des Hochhauses Molotow-Cocktails nach uns warf, wie Demonstranten mit den Pflastersteinen nach Berkut warfen, die in “Schildkrötenstellung” standen (das ist eine Schutzposition, bei der die Kämpfer einen engen Haufen bilden und sich von allen Seiten mit Schutzschildern bedecken) und diese warfen nach uns mit denselben Pflastersteinen zurück, in einem Mix aus Gummigeschoßen und Blendgranaten. Einige der Berkut-Kämpfer kamen raus, zeigten uns, dass sie uns fertigmachen wollen und gestikulierten dabei ausdrucksvoll irgendwo in der Genitaliengegend. Wir standen trotzdem. In der Nähe standen Omas beim Borsch und Grießbrei-Ausschenken, junge Mädels liefen umher und verteilten Milch und Zitronenwasser.

Und dann plötzlich ging Berkut auf die Menschen los. Mit Automatikgewehren, Schlagstöcken und Granaten. Wir zogen in Massen Richtung Maidan. Es war über fünftausend Menschen (Intellektuelle, Ex-Beamte, Büroangestellte und junge Mädchen) Jeder flüchtete wie er nur konnte. Die Menschen quetschten sich gegenseitig, als sie das Atmen der Tiere im Rücken spürten und das Pfeifen ihrer Kugeln und Schlagstöcke hörten.

Ich bin gefallen. Habe mir die Knie zerschlagen. Das eine fing an zu bluten, das andere schwoll wie eine Wurst an. In Gedanken habe ich schon aufgegeben und mich in die Berkut-Hände ergeben. Da hat mich ein junger Bursche aufgehoben, unter die Hände gegriffen und mit den Rufen “schnell” zu den Barrikaden begleitet. Sie wurden nicht beschützt. Die Menschen konnten nicht schnell genug durch den engen Durchgang passieren, Berkut schlug zu, schlug alle, die dort noch als letzte standen. Ich schaffte es, am Müllhaufen am Oktoberpalast durchzukommen. Dort gab es einen Abgrund, der ein paar Meter tief war. Ich hatte die Wahl: Springen und mit meinem Glück das Bein brechen, oder mich von meinen Nieren verabschieden – durch die Schläge.

Ich sprang auf die Kunststoffflaschen, die meine Knochen retteten. So humpelte ich, voll von Tränen, Blut und Lehm zum Maidan zurück.

Ich fühlte mich wie eine Kuh, die zum Schlachten geführt wird. Und da war auch wieder die Berkut, die aus der Richtung Europaplatz kam. Ich ging zur Polnischen Kirche in der Kostelna Straße, aber da kam wieder Berkut vom Volodymyrska hinab. Voll von Todesangst kehrte ich zum Maidan zurück. Es ist schrecklich! Gerade jetzt sind Wasserwerfer am Maidan und es riecht wieder nach Tod.

Ich ziehe warme unversehrte Hosen an, weil die anderen voll mit Blut und Löcher sind, und ich gehe weiter. Obwohl ich verstehe – das Wichtigste jetzt ist lebendig und unversehrt zu bleiben, denn wozu braucht mein Land und die ganze Welt eine Leiche mit einem Namensschild auf dem großen Zeh oder einen jungen Krüppel.

Quelle: https://www.facebook.com/eurolution/posts/717789051574777

Übersetzung- Marina Bondas

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