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Der Stern von Waleri Gergijew ist im Sinkflug – als Dirigent bei den Musikfestspielen Saar unerwünscht

Seit dem Jahr 1995 hat der Intendant der Musikfestspiele Saar, der deutsche Pianist Robert Leonardy,  das Thema der Präsentation von Musik aus einem bestimmten Land für das halbjährlich stattfindende internationale Festival etabliert. Zunächst war vorgesehen, dass Waleri Gergijew am 10. März 2015 die Münchner Philharmoniker in Saarbrücken in einem Konzert von Dvořák mit der Cellosolistin Sol Gabetta dirigieren sollte. Da “Polen” das Thema dieser Konzerte ist, gab die polnische Botschaft in Berlin einen deutlichen Hinweis, dass Gergijew nicht erwünscht sei. Jetzt wurde bekannt gegeben, dass der polnische Dirigent Michał Nesterowicz die Münchner Philharmoniker bei dem Konzert im Konzertsaal in Saarbrücken leiten wird, trotz Gergijews Auftritt mit dem gleichen Programm in Paris am Abend zuvor.

Valery Gergiev

In einem deutschen Radiointerview erläuterte Leonardy, dass ursprünglich Lorin Maazel als Dirigent vorgesehen war, das Festival nach dessen Tod im Juli jedoch Gergijew beauftragt habe. Leonardy fügte hinzu, dass ihm bei der Präsentation dieses Programms bei der polnischen Botschaft der ehemalige polnische Ministerpräsident, Donald Tusk, und andere zu verstehen gegeben haben, Gergijew sei wegen seiner Bewunderung und Unterstützung für Wladimir Putin inakzeptabel. “Es ist nicht akzeptabel, dass ein als Freund von Putin bekannter Russe bei einer polnischen Veranstaltung auftritt.”

Der internationale Superstar und ehemalige Erster Gastdirigent an der New Yorker Metropolitan Opera Waleri Gergijew ist der berühmteste Sohn Ossetiens und ein ausgesprochener Fan von Putins Regime. Es heißt, Gergijew und Putin seien die Paten ihrer jeweiligen Kinder. Um das St. Petersburger Mariinski-Theater zu einem internationalen Haus ersten Ranges zu machen, benötigte Gergijew eine erhebliche politische und persönliche Unterstützung von Wladimir Putin. Die einzige andere Fall, in dem ein Musiker einem Herrscher so nah stand, waren vielleicht Richard Wagner und der verrückte Ludwig II. von Bayern.

Und Gergijews Loyalitätsgefühl zu seinem weit gesponnenen Netzwerk von mächtigen Freunden in der Politik und der Finanzwelt sitzt tief. In einem in der vom Krieg zerstörten georgischen Stadt Zchinwali im Jahr 2008 gegebenen Konzert führte Gergijew beispielsweise Schostakowitschs Siebte Symphonie auf, ein absoluter Reißer, der das russische Leid und den Angriff der Nazis beklagt und “eine schöne Zeit in der Zukunft, wenn der Feind besiegt ist,” glorifiziert. Die provokative Botschaft war deutlich. Gergijew wollte damit zwei russische Siege feiern und zog eine Verbindung zwischen Leningrad im 2. Weltkrieg und der damaligen russischen Invasion und Expansion in Georgien.

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Gergijew ist auch einer der 511 Unterzeichner (Musiker, Künstler, Regisseure) eines Aufrufs zur Unterstützung von Putins Politik auf der Krim und in der Ukraine, die auf der Webseite des russischen Ministerium für Kultur angezeigt wird. Er erklärt häufiger, der Westen mache immer alles falsch, und wir sähen Putin zu Unrecht als Aggressor an. Gergijew schlug sich gegen die Band Pussy Riot auf die Seite der Putin-Regierung. Bei dem Konzert in Zchinwali sagte er, “…Die Menschen haben ein Recht, die Wahrheit darüber zu erfahren, was in Ossetien passiert ist und warum Russland das Recht hatte, Truppen zu entsenden … ohne die Hilfe von Großrussland hätte es noch mehr Opfer gegeben.” Der Maestro lobte auch “die russische Hilfe” in der Ukraine und unterstützte die Annexion der Krim: “Die Leute, die die Ukraine regieren, speien faschistische Parolen aus“.

Leider ist Waleri Gergijew nur die Spitze des Eisbergs, wenn wir uns eine ähnlich deutliche Unterstützung für Putins Vorgehen durch seine international bekannten Kollegen ansehen – wie den Dirigentenkollegen Wladimir Spiwakow, die Sopranistin Anna Netrebko, den Bratschisten Juri Baschmet, den Regisseur Fjodor Bondartschuk und viele andere.

Norman Lebrecht, ein  bekannter britischer Musikkritiker, Journalist und Romancier, schrieb am 7. November 2014:

“Die Marke Gergijew ist schwer beschädigt … Sein Ring-Zyklus spielt in Birmingham vor leerem Haus, trotz massiver Ermäßigungen bei den Tickets. Seine Sommertournee mit dem World Peace Orchestra musste nach einer Aufführung abgebrochen werden, da die Finanzierung nicht mehr aufzubringen war. Seine Stelle beim London Symphony Orchestra dümpelt auf einer Welle der Gleichgültigkeit. Seine moralische Führungskraft hat sich in Luft aufgelöst … Seine uneingeschränkte Unterstützung für Putins Invasion der Krim hat weite Teile der westlichen Öffentlichkeit abgeschreckt, während seine kaum geprobten und eingespielten Aufführungen zwischen Nachtflügen bei vielen das Gefühl entstehen ließen, betrogen zu werden –  und ein wenig Langeweile aufkam. Die freundliche Times-Kritikerin Hilary French berichtet heute, dass er den Ring ‘im Auto-Pilot’-Modus dirigiert habe.”

All dies ist eine schlechte Nachricht für die Marke Gergijew. Wenn das Mariinski nicht länger ein Kassenschlager ist, wird er seine Tourneepläne auf Russland und den Fernen Osten beschränken müssen. Wenn die Oligarchen ihn nicht finanzieren, wer dann? München, sein nächstes Orchester, wird ein strenges Auge auf seine engen Beziehungen mit dem Putin-Regime halten. Der begabteste Dirigent seiner Generation … steuert auf ein Abwärtstrudeln zu.”

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Übersetzt von: Adrian Bryttan

Quellen: SR-mediathek.sr,  Washington Post, Slipped Disc, AIF.ru, RG.ru, NY Times

Autor: Adrian Bryttan

Quelle: Euromaidan Press

Übersetzung: Euromaidan Press auf Deutsch

Adrian-Bryttan_avatar-75x75Über den Autor: Adrian Bryttan ist weltweit als Dirigent von Opern- und Symphonieorchestern und als Konzertgeiger aufgetreten. Er ist ukrainischer Abstammung, und erhielt ein Fulbright-Stipendium, um mit professionellen und studentischen Einrichtungen in Dnipropetrowsk, Charkiw und Lemberg zu arbeiten. In Dnipropetrowsk inszenierte er die ersten Aufführungen von Puccinis “Gianni Schicchi” und “Suor Angelica” auf einer ukrainischen Bühne. Er übersetzte die beiden Opern ins Ukrainische und organisierte Unterstützung aus ukrainischen Diaspora, um einen amerikanischen Regisseur und Bühnenbildner einzuladen, der die neuen Produktionen erstellte. Er arbeitet bei Euromaidan Press mit und produziert derzeit Rap-Videos über die Kosaken. [Tipp: unbedingt ansehen! – Anm. d. Übers.]
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