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Pyrrhussieg für Putin

von Rolf Heine (Facebook)

Russland hat wesentliche Kriegsziele nicht erreicht.

1. Mariupol wurde, trotz massivem Angriffs russischer Artillerie und Panzereinheiten noch kurz vor dem Waffenstillstand von gestern (05.09.2014), von den ukrainischen Truppen mit Bravour gehalten. Damit hat Putin nicht den dringend benötigten Korridor zur Stabilisierung der Krim erhalten. Für die Regierung in Moskau ist das ein Desaster, weil die Versorgung der Krim weiterhin über die Straße von Kertsch zu enorm hohen Kosten erfolgen muß. Schätzungsweise eine Billion Rubel (ca. 20 Mrd. Euro) kostet die Krim den russischen Staatshaushalt jährlich. Der Krim kann jederzeit von der Ukraine aus Strom und Wasserversorgung entzogen werden. Die von Rußland völkerrechtswidrig annektierte ukrainische Halbinsel Krim bleibt damit im ökonomischen Würgegriff Kiews.

2. Die von Rußland benötigte Verbindung nach Transnistrien ist durch den aufopferungsvollen Kampf insbesondere der ukrainischen Freiwilligenverbände während der letzten Tage vor Mariupol ebenfalls in weite Ferne gerückt.

3. Die wichtige Hafenstadt Odesa ist fest und stabil in der Hand der Ukraine.

4. Der Donbas wird nicht etwa für die Ukraine zum Konfliktherd, sondern für Rußland. Denn Rußland muß jetzt dauerhaft den defizitären Donbas alimentieren. Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht, sind Luhansk und Donezk eben keine ökonomisch wertvollen Gebiete, sondern von der Zentrale in Kiew seit Jahren subventioniert. Rußland wird nun, wie schon auf der russischen Seite des Donbas, die Kohlezechen schließen mit unabsehbaren sozialen Konflikten in der Region. Moskau wird nicht umhinkommen, den ukrainischen Donbas dauerhaft zu finanzieren.

5. Das High-Tech Zentrum Dnjepropetrovsk mit seiner umfangreichen und auch im internationalen Maßstab leistungsfähigen Rüstungsindustrie, kann Moskau nicht mehr erreichen. Die Bevölkerung steht klar auf der Seite der Zentralregierung in Kiew.

6. Die Ukraine wird nun mit Kapital und Ausrüstung aus dem Westen versorgt, während die Sanktionen gegen Rußland ihre Wirkung immer mehr entfalten. Ferner erhielt die Ukraine von der EU den Assoziierungsstatus mit einer Beitrittsperspektive. Die Zusammenarbeit mit der NATO soll verstärkt werden. Die Ukraine erhält Geld für den Kauf von Militärtechnik und zur Verbesserung der Infrastruktur. Die Bürger der Ukraine können sich innerhalb der Europäischen Union ohne wesentliche Einschränkungen bewegen.

7. Die internationale Solidarität mit der Ukraine hat das Land auf den Schirm der westlichen Nationen gebracht. Für die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine interessieren sich heute Menschen, die vormals von der Ukraine nichts wußten. Die Nachrichten sind voll vom Kampf der Ukrainer um ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Für die Ukraine ist das ein riesiger Imagegewinn.

8. Die Ukraine kann sich nun auf den Wahlkampf im Oktober konzentrieren. Die Vaterlandspartei von Ministerpräsident Jazeniuk und Parteichefin Timoschenko hat in der schweren Zeit des Krieges mit Rußland eine beachtliche Akzeptanz der Staatsräson bewiesen. Das sollten Kritiker dieser Partei im Westen nicht vergessen. Präsident Petro Poroschenko hat darüberhinaus eine ganz ausgezeichnete Figur abgegeben. Er ist heute der Ansprechpartner Nr. 1 für Politiker des Westens. Ein Glücksfall für die Ukraine, obwohl Moskau zuvor Petro Poroschenko (“Schokoladenpräsident”) mit den Mitteln der Propaganda verächtlich machen wollte. Das ist nicht gelungen.

In the long run: die Ukraine hat nicht verloren, Putin einen Pyrrhussieg errungen, der ihm noch im Halse steckenbleiben wird. Nun bleibt abzuwarten, ob sich Putin mit den Ergebnissen tatsächlich zufriedengeben wird, oder ob die russischen Streitkräfte wieder zum Angriff übergehen. Und das bleibt eine offene Frage.

Bildnachweis: Büste des Königs Pyrrhus I. aus dem archäölogischen Museum von Neapel. Von einem Pyrrhussieg spricht man, wenn der Sieg für den Sieger ähnlich desaströse Folgen hat wie für den Besiegten.

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Über den Autor:

Rolf Heine ist 54 Jahre alt und von Beruf Diplomingenieur. Als Offizier der Bundeswehr war der studierte Elektronik-Ingenieur 14 Jahre lang in der Nachrichtenaufklärung gegen die Sowjetunion und Rußland tätig, zuletzt in Stabsverwendung bei einem Nachrichtenaufklärungsregiment. Heine verfügt über fundierte Kenntnisse der russischen Militärpolitik und russischer Waffensysteme. Er ist Mitglied der deutschen Partei FDP, in der er sich regelmäßig zu Fragen der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik äußert.

(Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors)

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