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Boris Reitschuster: Offener Brief an ZAPP/ARD

Boris Reitschuster, deutscher Journalist und Putin-Biograph:
Offener Brief an ZAPP/ARD
zur Sendung http://www.ardmediathek.de/ndr-fernsehen/zapp/immer-auf-putin-breite-kritik-an-medien?documentId=20845808

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in 16 Jahren Moskau hatte ich beim Betrachten des russischen Fernsehens regelmäßig den Eindruck, ein völlig irreales, verzerrtes Bild der Realität vorgespiegelt zu bekommen, und fühlte mich wie in einem Kafka-Roman (http://on.fb.me/1eQ07cg).

Bei Ihrem Beitrag “Immer auf Putin” ging es mir jetzt in der ARD so.

Sie klagen in dem Film über Verletzung journalistischer Grundsätze – und verletzen diese selbst:

1.) Sie lassen nur Vertreter Ihrer These, die deutschen Medien berichteten einseitig, zu Wort kommen. Gegner dieser These werden nicht befragt. Dabei gibt es diese zuhauf. Mir etwa fällt seit Wochen auf, wie breiten Raum die Moskauer Propaganda in unserer Berichterstattung erhält und wie sie oft nicht hinterfragt wird.

2.) Sie haben nicht gründlich recherchiert. Sie erwecken den Eindruck, die Zuschriften mit Klagen über antirussische Berichterstattung gäben ein Stimmungsbild der Bevölkerung wieder. Dabei gibt es gibt zahlreiche Berichte über Manipulation von öffentlicher Meinung durch die Steuerung von Leserzuschriften und Kommentaren im Internet, auch darüber, dass just der Anlaß für Ihren Bericht die Folge einer zweifelhaften Aktion ist:http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/facebook-spam-bei-deutschen-medien-unter-namen-anonymous-a-964869.html).

3.) Gabriele Krone-Schmalz, die als eine Art Kronzeugin für Ihre Thesen auftritt, war mehrfach mit Vorträgen und Moderationen für kremlnahe Unternehmen tätig, darunter Wingas, eine Beteiligung von Gasprom. Auf diesen Interessenkonflikt hätten Sie aufmerksam machen müssen.http://www.focus.de/kultur/medien/media-box-christiansen-streit-skandal-oder-rufschaedigung_aid_219286.html

4.) In der Sendung wird der Vorwurf erhoben, die Talkshows im öffentlich-rechtlichen seien einseitig kremlkritisch. Das Gegenteil ist der Fall. Mehrfach wurden Kremlkritiker ausgeladen, auf Wunsch kann ich Ihnen gerne konkrete Beispiele nennen; andere renommierte Kreml-Kritiker kommen erst gar nicht zu Wort. Oft ist das Verhältnis von Putin-Unterstützern und Putin-Kritiker 3:1, wenn überhaupt. Der ukrainische Botschafter kam nie in einer Talkshow zu Wort, trotz zahlreicher Versuche, während sein russischer Kollege oft gehört wurde. In vielen Talkshows kommen keine Ukrainer zu Wort, während Vertreter des Kreml-Propaganda-Apparats ein Forum erhalten, ohne als solche kenntlich gemacht zu werden. All das erwähnen Sie nicht.

Ich hoffe, Sie stellen Ihre Fehler richtig und machen demnächst einen Beitrag, bei dem Sie auch die Gegenseite zu Wort kommen lassen. Und vielleicht auch andere Perspektiven eröffnen: Etwa mit einer Diskussion darüber, welche besonderen Herausforderung für Medien besteht im Umgang mit einem diktatorischen Regime, das Gewalt im Inneren wie Äußeren einsetzt und auf massive Propaganda setzt. Hier wäre dann etwa die Frage zu erörtern, wie die Abwägung ausfallen kann zwischen Ausgeglichenheit und der Gefahr, sich durch Propaganda instrumentalisieren zu lassen.

Als Moskau-Korrespondent mit 16 Jahren Erfahrung vor Ort, der sich intensiv mit Manipulationen der öffentlichen Meinung durch den Kreml und Propaganda befasst (und dafür mit dem Tode bedroht und regelmäßig angegriffen wird) stehe ich Ihnen gerne für Auskünfte zur Verfügung.

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