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Matwej Ganapolskij: die Feigheit des “Ersten Kanals”, die Nichtigkeit des russischen Fernsehens und ungezügelte Lügengeschichten über die Ukraine

“Das russische Fernsehen als eine journalistische Institution, als ein ehrliches Instrument der Interessenreflexion der zivilen Gesellschaft ist nicht nur einfach begrenzt, es ist erbärmlich”

Die Propagandawalze, mit der das russische Fernsehen über die Ukraine herrollt, ist immer mächtiger (und es ist unwahrscheinlich, dass sie nach den Aufrufen um die Objektivität seitens der Leiter der ukrainischen Medien anhalten wird). In seinem letzten “Sonntagsabend” war Solowjew [Journalist, TV-und Radiomoderator, Autor, Schauspieler, Sänger und sozialer Aktivist, der für seine loyale Haltung gegenüber der russischen Regierung bekannt ist – unter anderem unterschrieb er Ende Februar 2014 einen Appell “Wir sind alle Berkut” – ein Unterstützungsschreiben für die ukrainischen Berkut-Sonderpolizisten, die brutal gegen Maidan-Aktivisten vorgegangen sind – Anm. d. Übers.] an den Tiefpunkt angelangt: Experten, die die russische Intervention auf der Krim unterstützten, “diskutierten” mit “Opponenten”, die dieselbe Position vertreten haben.

Wir wollten der Sache nachgehen: Ist denn die Situation mit der Ereignisbewertung  im ukrainischen Fernsehen auch so eindeutig? Um die Frage zu beantworten wandten wir uns an Matwej Ganapolskij, einen Journalist, der in Russland sowie in der Ukraine tätig ist.

“Fangen wir damit an, dass es in der Ukraine nur einen Sender des Staatsfernsehens gibt, den alle schauen – das ist der “Erste Nationale Sender”(Первый национальный канал) . Es gibt natürlich auch den Sender “Rada” (Sender des Parlaments) und der Sender “Kultura” (Kultur), doch die politischen Möglichkeiten  für die Regierung mit dem Medium Fernsehen, das Gehirn der ukrainischen Zuschauern zu waschen, sind zu vernachlässigen. Deswegen liegt der wichtigste Unterschied zwischen dem russischen und dem ukrainischen Fernsehen darin, dass das russische TV ein Staatsfernsehen ist, und das ukrainische TV Fernsehprogramme hat, hinter denen Oligarchen stehen, die dem einen oder dem anderen politischen Klan angehören. Nur! Hier kommt ein wichtiger Punkt! Fernsehsender bedeuten für die Oligarchen nicht nur eine Möglichkeit ihre eigene Ideen an die Massen zu verbreiten, es sind auch kommerzielle Projekte. Deswegen kann man im ukrainischen Fernsehen nicht so ungezügelt lügen (ich geniere mich nicht, dies auszusprechen – ich stelle Fakten fest), so wie die russischen staatlichen Sender über die ukrainsichen Ereignisse oder auch beispielsweise über die Opposition lügen.

Nach meiner subjektiven Meinung zeigt das ukrainische Fernsehen eine größere Offenheit, größere Zuwendung an den Zuschauer. Es gibt im ukrainischen Fernsehen keine geplante, leichtfertige antirussische Propaganda. Es gibt sie einfach nicht! Es gibt in der Ukraine nicht so einen Menschen, der (wie es im russischen Fernsehen üblich ist) jeden Tag auf Sendung geht und jeden Tag erzählt, dass in Russland ein verbrecherisches Regime herrscht. Selbst jetzt, während der tragischen Ereignisse, trotz der Spannungen, die zwischen der Ukraine und Russland entstanden sind, gibt es sowas nicht. Nur ein Beispiel: am Sonntag den 2. März fand eine grandiose Sendung statt, die das ganze Land gesehen hat. Der (staatliche) “Erste Kanal” brachte ein Programm in Zusammenarbeit mit dem bekanntesten Oppositionssender “Hromadske TV” und der Showsendung von Sawik Schuster [einer der bekanntesten Journalisten und Moderatoren in der Ukraine- Anm. d. Übers.]. In dieser Show wurden alle Sichtweisen vorgestellt. Und ich kann Ihnen versichern – ein Geschrei, dass Russland ein Feind sei, hat es nicht mal annähernd gegeben. Obwohl die Ukrainer jetzt eine ziemlich spezifische Haltung gegenüber der Russischen Föderation haben.”

Der russische Zuschauer hat, nach Ganopolskijs Meinung, nur eine Möglichkeit eine alternative, eine andere Meinung als die staatliche über die Ukraine zu hören – den Sender “Doschd” [zu deutsch: Regen] einzuschalten. Doch seit neuester Zeit kann dieser Sender nur im Internet empfangen werden [anders als in Deutschland ist das Internet in Russland für einige immer noch ein Luxusgut, es gibt ganze Ortschaften, die keinen Internetanschluss haben, Anm.d. Übers.].

”Doschd” ist die einzige Plattform, die für jeden zugänglich ist – für Rechte wie für Linke, jeder darf dort sagen was er denkt. Das restliche Informationsfeld besteht entweder aus grober, unverblümter Propaganda oder aus Sendern, die so eingeschüchtert sind, dass sie selbst in ihren sogenannten “kühnen” Talk-Shows sorgfältig die Gästeliste redigieren.

Doch nicht nur in den “Schwarzen Listen” der Kommentatoren besteht die Mitwirkung des Staates in der Gestaltung der Politik der Sender. Man hat uns bereits den Film “Taras Bulba” [siehe Link:  http://en.wikipedia.org/wiki/Taras_Bulba_(2009_film) Anm. d. Übers.] gezeigt, und in einem Exklusivinterview für “Westi” erklärte Wladimir Bortko [Drehbuchautor, Regisseur und Schauspieler, Anm. d. Übers.] warum man diesen Film unbedingt ansehen muss. Zur Zeit wiederholt der Fernsehsender “Rossija” die Serie “Belaja Gvardija” [“die weiße Garde” nach Roman von Blugakov http://de.wikipedia.org/wiki/Die_wei%C3%9Fe_Garde Anm.d. Übers.] … Arkadij Mamontov [Journalist, der für seine loyale Haltung zum Regime bekannt ist und sich stark für die Diskreditierung der russischen Opposition einsetzt,  Anm. d. Übers.] ging schon seit Langem mit seiner Sendung  “Spezialnyj Korrespondent” [zu Deutsch Sonderkorrespondent, Anm. d. Übers.] in den Off-Time-Modus. Auch der “Sonntagsabend” kann nun trotz seinen Namens an jedem Wochentag gesendet werden. Heute wurde bekannt, dass die Sendung “Pojedinok” [zu deutsch das Duell, Anm. d. Übers.] vom Donnerstag auf Freitag und auf eine bessere Sendezeit – 21:00 Uhr – verschoben wurde.

Doch wenn auch all die obengenannten Beispiele aus dem Gesichtspunkt der Staatspolitik erklärbar sind, so hat der Verzicht des “Ersten Kanals” auf die Liveübertragung der Oscar-Verleihung, was dem [Generaldirektor Konstantin] Ernst noch nie passiert ist, zuerst eine Verwirrung ausgelöst. Was hat den Kreml an dem “Wichtigsten der Künste” so gestört? Besonders in der Zeit, wo fast niemand fernsieht? Die Liveübertragung aus Los Angeles sollte doch am 3. März um 4 Uhr morgens beginnen!

Vermutlich haben die Leiter des “Ersten Kanals” entweder irgendwo erfahren, oder mit größerer Wahrscheinlichkeit angenommen, dass man bei der Oscar-Verleihung über die Ukraine sprechen wird. Und tatsächlich! Beim Eröffnungswort grüßten die Moderatoren die Völker, die für ihre Rechte kämpfen, die Völker der Ukraine und Venezuela. Und nur deshalb – damit dieser Satz nicht [beim “Ersten Kanal”] erklingt, hat der Sender feige in der letzten Minute die Liveübertragung abgesagt! Einen Tag später wird man natürlich die Verleihung zeigen, doch diesen Satz wird es in der gekürzten “Fassung” der Zeremonie nicht mehr geben…

Man muss feststellen: Das russische Fernsehen als eine journalistische Institution, als ein ehrliches Instrument der Interessenreflexion der zivilen Gesellschaft ist nicht nur einfach begrenzt, es ist erbärmlich. Die Wahrheit gibt es, oder es gibt sie nicht. Wenn man sie zu beschneiden, zu drehen und wenden anfängt, ist es keine Wahrheit mehr, sondern… so ein Käse..

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Matwej Ganapolskij ist ein bekannter russischer Journalist und Theaterregisseur. Er ist Moderator des Radiosender “Echo von Moskau”, des georgischen TV-Sender “PIC”, des Krim-Tatarischen Senders ATR und Kolumnist der Zeitung “Moskowski Komsomolez”. Er ist Mitglied des Präsidiums des Russisch-Jüdischen Kongresses.

Quelle: http://sobesednik.ru/politika/20140304-matvey-ganapolskiy-trusost-pervogo-kanala-i-ogoltelaya-lozh

Übersetzung: Marina Bondas

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